Unmusikalisch, das gibt es nicht

■ Für Menschen ohne musikalische Vorkenntnisse wie auch für stramm Gebildete: das „Institut für Ton, Klang, Rhythmik“

Vielleicht sind gerade Sie auch so ein Opfer schulischer Musik-Erziehung, die früh und gründlich den Spaß verdirbt, auch das Hören zensiert und die Sing-Stimme vor lauter Falsch und Richtig dünn und unsicher macht? Oder Sie sind im Gegenteil ein musikerfahrener Mensch, unterscheiden spielend ein „C“ vom „A“, wissen peinlich genau, in welcher Tonart ein Stück jedenfalls nicht enden darf und finden jegliches Mitwippen im Konzert strikt unangebracht?

Gegen diese beiden Arten von Behinderungen zum Beispiel macht seit September das „Institut für Ton Klang Rhythmik“ seine Angebote. Die Bremerin Margot Franzius hat das Kapital für die „F.A.W.Franzius-Stiftung“ aufgebracht und damit das Institut gegründet.

„Ganz viel ist möglich, auch ohne virtuose Fähigkeiten“, sagt Organisatorin und Kursleiterin Irmgard Bönig, ausgebildet in Musik, Rhythmik und Sozialpädagogik, „aber meist machen Menschen Erfahrungen, welche Musik verhindern anstatt sie zu ermöglichen.“

Gegen die Tristesse des Nachkriegsgebäudes und die autobahnähnlichen Außengeräusche an der Ecke der Bürgermeister- Smidt-Straße wurde im Institut Birkenstraße 30 nach Kräften anrenoviert: viel Weiß, curryfarbener Tretford-Boden, wenige Holz- und Rattanmöbel, vor allem attraktive Instrumente im offenen Regal: natürlich die Orffschen, dazu vielfältige Verlockungen für Hände und Ohren: ein armdicker afrikanischer Regenmacher-Stab aus Bambus, gefüllt mit Körnern und Früchten, die durch innere Zwischenböden langsam, langsam und lange hindurchrascheln, rauschen, innehalten, rieseln wie ein Schauer, ein anhaltender Guß, prasselnd.

Oder die Kantelenen, saitenbespannte hohle Dreiecke. Eine ist obertongestimmt: zuunterst eine Saite „C“, und darüber wie aufgefächert alle Töne, die in diesem „C“ als eine Tonsäule mitklingen.

Oder umgekehrt das Monochord, das schlichtweg 27mal dassselbe „C“ auf seinen 27 Saiten hat und trotzdem ganze Melodien hervorbringt, allein durch ein Darüberstreichen, weil das niemals auf gleiche Weise geschieht!

Eins der Instituts-Angebote — die andere Mittagspause: bei einer Tasse Tee schöne Musik hören, selbst Musik machen, mit anderen improvisieren — hatte sich überhaupt nicht durchgesetzt. Aber gerade eben ist ein neues Kurs-Programm erschienen.

Rhythmik für Erwachsene will mit Hand und Fuß lernen, Augen und Ohren öffnen. Wie geht das? Zum Beispiel mit Partner-Übungen wie Führen und Folgen, wo eine laut oder leise, schnell oder langsam spricht, und die andere dazu Bewegungen erfindet. Oder Musik und Märchen: musikalische Improvisationen zu Gretelangst, Goldregen, Froschkuß, Spindelstich. Oder: Die eigene Stimme kennenlernen, als Zugang zur eigenen Stimmung, auch als experimentelle Musik: Reisen durch Höhen, Tiefen, an Vokalen entlang, mit Atem geformt. Die Hörschule für Ohren, Herz und Stimme Ins Groteske verbeult, hauchdünn gezischelt wendet sich als einziger Kurs an TeilnehmerInnen mit musikalischen Vorerfahrungen: Halbtonschritte singen und ertragen, mit Ganzttonleitern den Teppich unter den Füßen wegziehen, gemeine Intervallsprünge aushalten.

Etwaige Neigung zu Esoterischem sind zwar nicht hinderlich, aber auch nicht erforderlich. Irmgard Bönig ist handfest: „Ich will nicht ins Esoterische abgleiten, aber ich will mich auch nicht künstlich davon frei machen.“

Gestern mittag kam gerade eine alte Dame ins Institut, um Werbeplakate und Kurs-Programme für ihren 24jährigen Enkel und ihre Chor-KollegInnen mitzunehmen. Sie hatte begeistert bei den Improvisationen mitgemacht: „Allein die Instrumente: wie nehm' ich's in die Hand, und was kommt raus? Und der Gong hat es mir so angetan, den Ton hör ich noch zu Hause — ich hatte Lust, Situationen aus meinem Leben musikalisch auszudrücken, um zu sagen: So war es eben.“ Susanne Paas

Programme und Infos: Tel. 1690617