Kein Sorgerecht für Papa ohne Ehering

■ Beim Vormundschaftsgericht Hamburg stapeln sich die Sorgerechts-Anträge

Bisher hat die Frau und Mutter nichtehelicher Kinder grundsätzlich das alleinige Sorgerecht. Nach einer Vorschrift aus der Ära der Dienstmädchen konnte zudem ein Vater einen Sprößling für „ehelich“ erklären lassen. Das unverhoffte Ergebnis eines Seitensprungs konnte so in die Familie des Vaters integriert werden. Die leibliche Mutter verlor jegliches Anrecht auf die Sorge für das Kind. Viele Paare hatten sich in letzter Zeit trotzdem für diese Regelung entschieden, um dem Mann den Bezug von Erziehungsgeld zu ermöglichen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht dieses Relikt aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraph 1738) für verfassungswidrig erklärt und die Legislative aufgefordert hat, eine Neuregelung zu schaffen, klafft eine große Lücke. „Der Gesetzgeber ist seit Jahren in Verzug“, sagt Heiner Wegemer, Richter am Vormundschaftsgericht Hamburg-Mitte.

Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen, daß die elterliche Sorge auch bei nichtehelichen Kindern geteilt werden kann. Wie schwierig die Umsetzung in der Praxis sein würde, haben sich die

Eltern etwa der vier Monate alten Anna-Lena, die Biologin Brigitte Klamroth und Student Markus Bode, nicht träumen lassen. Ihr Antrag auf ein gemeinsames Sorgerecht liegt neben zwölf anderen unbearbeitet beim Vormundschaftsgericht Hamburg-Mitte. Die Richter können nichts tun, weil es noch kein neues Gesetz gibt, auf dessen Grundlage sie entscheiden können.

„Wir haben alle möglichen Behörden durchtelefoniert“, sagt Markus Bode, „niemand sagt einem, was Sache ist.“ Der einzige Ratschlag, den das Paar erhielt, war zu heiraten. Sonst würde es für den Vater kein Erziehungsgeld geben, das an das Sorgerecht gekoppelt ist. Markus Bode und Brigitte Klamroth haben es sich so eingerichtet, daß eine jeweils halbtags auf das Kind aufpaßt, während die andere studiert oder arbeitet.

Richter Wegemer hält es für fraglich, daß eine neue Vorschrift zur Regelung der elterlichen Sorge noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Feministinnen dagegen wollen das Sorgerecht unangetastet bei der Mutter belassen, konservative Kräfte möchten unverheirateten Paaren keine weiteren Rechte einräumen. Nach der neuesten Änderung des Erziehungsgeldgesetzes kann auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil dann monatliche Leistungen beantragen, wenn er mit dem Kind in einem Haushalt lebt. Dies gilt allerdings nur, wenn das Kind nach dem 31.Dezember 1991 geboren wurde. Anna-Lenas Eltern wissen noch immer nicht, wie sie an ihr Geld kommen sollen. L.S.