Neue Möglichkeiten für altes Papier

■ Recycling: Private Wertstoff-Sortierungsanlage und neue Müllgebühren in Vorbereitung

Es ist schon ein ständiges Ärgernis mit dem Altpapiercontainer in der Findorffer Hemmstraße: Da kommt die umweltbewußte VerbraucherIn mit dem Altpapier der letzten Woche und wieder einmal ist der Container bis oben vollgestopft. Bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder das ganze Papier mit leicht schlechtem Gewissen auf dem Matschboden neben dem Container deponieren oder weiterfahren und einen leeren Container suchen.

Die letzte Möglichkeit empfiehlt sich weniger. Denn bei vielen der 110 Altpapiercontainer, die in Bremen aufgestellt sind und von der Stadt bewirtschaftet werden, sieht es nur allzuoft genauso aus. „Wir können kaum etwas dagegen tun“, meint Adolf Pösel, bei der Umweltbehörde für Abfallwirtschaft zuständig. Seine Begründung: Seit die neue Verpackungsverordnung Gewerbetreibende verpflichtet, die Transportverpackungen an die Hersteller zurückzugeben, suchen viele den bequemen aber Wohin mit

illegalen Weg und stecken die Verpackungen in die für private Verbraucher vorgesehenen Container. „Die werden oft mißbräuchlich genutzt“, weiß Pösel aus Berichten seiner Mitarbeiter.

Für die Bequemlichkeit der Gewerbetreibenden muß die Stadt bezahlen. Denn um den Wertstoff Altpapier loszuwerden, muß der Umweltsenator tief in sein Haushaltssäckel greifen. Mit 60 bis 70 Mark lassen sich die Altpapiergroßhändler jede der rund 12.000 Tonnen bezahlen, die sie der Stadt abnehmen. Und die Preise könnten dieses Jahr weiter steigen. „Die Papierfabriken haben schon niedrigere Preise angekündigt“, sagt Peter Ostrowski, der bei der Entsorgungsfirma Becker für Altpapier zuständig ist. Und wenn die Entsorgungsfirma niedrigere Preise bekommt, muß die Stadt mehr zahlen, um das Altpapier loszuwerden.

Doch die Rohstoff-Subventionen sind für die Stadt immer noch lohnend. Denn für jede Tonne Müll, die durch den Schornstein der MVA geblasen wird, werden 110 Mark kalkuliert. „Trotz der Zuzahlung ist dies immer noch viel billiger, als das Papier zu sammeln und zu verbrennen“, re

dem wertvollen Altpapier?

sümiert Adolf Pösel daher.

Noch viel billiger könnte es allerdings werden, wenn die Stadt den Rohstoff Papier sortenrein beim Entsorgungsgroßhändler anliefern würde. Denn in den Containern befinden sich alle Sorten Papier und Pappe, und die müssen vor der Wiederverwertung in der Papiermühle kostenintensiv getrennt werden.

Sortierungsanlage geplant

„Die Weiterverarbeiter brauchen das feinstsortiert“, weiß Ekkehard Gerard vom Recyclinghof Findorff. Dort bemüht man sich, Pappe zu Pappe und Zeitung zu Zeitung zu sortieren und kann das Papier dann sogar mit Gewinn weiterverkaufen.

Doch alle Überlegungen, daß die Stadt in größerem Stil in die Sortierung einsteigt, sind bislang Papier geblieben. Das könnte bald anders werden. Denn das in der neuen Verpackungsverordnung vorgesehene „Duale System“, das verschiedene Entsorgungswege für privaten und gewerblichen Abfall vorsieht, aktiviert die Entsorgungsunternehmen. Zum Beispiel das Bremer Unternehmen Nehlsen. Nehlsen möchte für die bundesweit agierende neue Gesellschaft „Duales System Deutschland“ die Vermarktung der wiederverwertbaren Abfälle im Großraum Bremen übernehmen. Und dies setzt voraus, daß eine große Sortieranlage gebaut wird. „Wir beschäftigen uns mit der Materie. Es ist aber noch nicht spruchreif“, bestätigte gestern die Geschäftsführung von Nehlsen entsprechende Pläne. Erste Verhandlungen mit der Stadt haben bereits stattgefunden. Die bisherige Spitze des Umweltressorts wollte das Monopol für die Sammlung aller Abfälle behalten und die Sortierung und Wiederverwertung Nehlsen und den anderen Entsorgungsfirmen überlassen. Die neue, grüne Ressortleitung muß sich noch entscheiden, ob sie diese Position beibehält oder die Privatisierung im Abfallbereich noch ein Stück weitertreibt.

Wie ernst es Nehlsen mit der Sortierungsanlage ist, zeigt auch das große Interesse an einem Grundstückskauf. Mit der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft, die das Klöckner-Gelände vermakelt, sind die Gespräche über den Ankauf von 22.000 Quadratmetern auf dem brachliegenden Teil des Klöcknergeländes bereits weit gediehen. „Das soll noch 1992 von Nehlsen gekauft werden“, berichtete gestern ein Sprecher der WfG.

Neues Gebührensystem 92?

Ebenfalls noch 1992 soll ein weiterer Grundstein für eine Wende hin zur ökologischen Abfallwirtschaft gelegt werden. Denn bislang gilt immer noch ein Tarifsystem, das abfallsparendes Verhalten der Bremer Haushalte bestraft und recycelbare Abfälle so quasi über die Tonne in die MVA treibt. Um dies zu ändern, müssen das entsprechende Ortsgesetz und das Gebührensystem grundlegend geändert werden. Vor seinen neuen Mitarbeitern hat Senator Ralf Fücks bereits deutlich gemacht, daß das Thema Abfallwirtschaft erste Priorität hat und konkrete Termine genannt. Die neue Gebührenordnung soll als eine der ersten Aufgaben erledigt und noch 1992 präsentiert werden. hbk