Russische Föderation abgeschmettert

■ Die Frauschaft aus Kuba gewann zum sechsten Mal das Bremer Volleyball-Nationen-Turnier

Bremen (taz) — Das Bremer Volleyball-Nationen-Turnier ist das einzige vom Internationalen Volleyballverband (IFVB) lizensierte Turnier in Deutschland. Im Augenblick bedeutet das ausschließlich, daß pro Veranstaltung 60.000 Schweizer Franken an den IFVB abgeführt werden müssen. Alle Versprechungen der letzten Jahre, das in diesem Jahr zum 13. Mal durchgeführte Turnier in den Grand-Prix-Zirkus oder die Weltliga aufzunehmen, sind bisher leer geblieben.

Kein Wunder, denn diese Globalvorhaben gibt es bislang noch gar nicht. Ob sie kommen, ist schlicht eine Frage des Geldes. Verbandspräsident Rolf Andresen hält eine allumfassende Kommerzialisierung des internationalen Volleyballsports für unumgänglich und findet, daß gerade das traditionelle Bremer Turnier unter der mangelnden Vermarktung leidet. Zwar wird die Veranstaltung von allen Delegationen wegen der hervorragenden Organisation über den grünen Klee gelobt, (Rumäniens Nationaltrainer Stan: „Bei der EM in Italien war die Betreuung um Längen schlechter“), doch viele Spitzenteams fehlen.

Der Weltsportkalender und die geldbringenden Medien diktieren den Bremern den frühen Termin Anfang Januar. Doch gerade zu dieser Zeit sind so attraktive Vertretungen wie Japan, die USA, Brasilien oder die VR China andersweitig verpflichtet. Um diese Länder aus ihren Verträgen herauszulocken, müßten Antrittsgelder und hohe Siegprämien (es werden von mindestens 100.000 D-Mark gesprochen) für ein Preisgeldturnier angeboten werden. Doch davon ist Bremen im Augenblick so weit entfernt wie vom Südpol.

Das 13. Turnier machte in diesem Jahr der Unglückszahl alle Ehre. Zunächst schrumpfte das Teilnehmerinnenfeld auf sechs statt acht zusammen, dann sagte ein All-Star-Team der Türkei kurzfristig ab. Um trotzdem drei Spiele pro Tag anbieten zu können, mußte jeweils ein Team zweimal antreten, nach Tie-Break- Regeln. Zwar verblieben mit den Weltcup-Siegerinnen aus Kuba, den Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen aus der ehemaligen UdSSR die zwei weltbesten Vertretungen, doch der EM-Vize Niederlande, Rumänien und Deutschland konnten da nicht mithalten.

Bundestrainer Siegfried Köhler war um seinen Job ebenfalls nicht zu beneiden. Nach der verpatzten Olympiateilnahme hatten einige Leistungsträgerinnen schon im Vorfeld abgewinkt, weiter in der Nationalauswahl zu spielen, dann gab es Ärger mit dem USC Münster, der seine Spielerinnen nicht abstellte. So mußte er mal wieder eine zusammengewürfelte Formation aufbieten, von der auch Köhler nicht weiß, ob sie überhaupt weiter zusammenbleiben wird.

Zwar sprangen 3:2-Siege gegen Rumänien (17:16 im fünften Satz) und die Niederlande heraus, aber besonders der niederländische Coach experimetierte viel mit 16jährigen Nachwuchsspielerinnen und machte es den Deutschen in den entscheidenden Phasen recht leicht. Auf deutscher Seite war immerhin guter Wille zu bemerken. Durch die in Modena in Italien spielende Ariane Radfan erhielt der Mittelblock wesentlich mehr Stabilität, und auch der Einstand der aus Paris zurückgekehrten Beate Bühler als Zuspielerin war vielversprechend. Sie mußte allerdings bald wegen Knieproblemen aufgeben. Aber auch andere Akteurinnen im deutschen Trikot mit der Tampon-Werbung spielten sich in den Vordergrund. Die Schwerterin Maike Friedrichsen auf der Außenposition zum Beispiel, aber auch die Debütantin Marion Meißner als Zuspielerin oder Danja Müsch aus Creglingen. Das immer mit zwei Stellerinnen operierende Spielsystem hält Köhler für eine ernsthafte Alternative. Kampfkraft forderte er ohnehin von seinem Team, und wie letztendlich der Weg zur europäischen Spitze zurückgelegt werden soll, sei ihm völlig egal. Der sonst so einsilbige Bundestrainer mit deutlich lauterer Stimme: „Es geht mir ausschließlich um den Erfolg, und wo gehobelt wird, da fallen auch Späne.“

Den Turniersieg machten am letzten Spieltag erwartungsgemäß Kuba und die in Bremen unter der Bezeichnung „Russische Föderation“ Ex- UdSSR-Spielerinnen (tatsächlich haben alle Spielerinnen die russische Staatsangehörigkeit) unter sich aus. In einem hochklassigen Finale war der russische Trainer Nikolai Karpol einem Infarkt nahe. Mit hochrotem Kopf brüllte und fluchte er seine Starangreiferinnen Valentina Ogienko und Irina Smirnova zu immer besseren Leistungen an. Doch es half alles nichts. Selbst komfortable 11:3- Führungen der Russinnen wandelte das kubanische Sprungwunder Mireya Luis oder die zur besten Angreiferin des Turniers gewählte Regla Bell in Satzerfolge für Kuba. Die mentale Stärke der Frauen von der Karibikinsel und ihre zuweilen artistische Feldabwehr waren die großen Vorteile beim 3:1-Sieg. Doch bis Olympia 1992 in Barcelona bleibt den — dann als „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ — antretenden Russinnen noch genügend Zeit zum Aufholen. Jürgen Francke