Hat Schamir falsch kalkuliert?

■ Für die Gespräche mit Israel brauchen die arabischen Regierungen die Palästinenser

Hat Schamir falsch kalkuliert? Für die Gespräche mit Israel brauchen die arabischen Regierungen die Palästinenser

Mit seltener Einmütigkeit wurde die von der israelischen Regierung verfügte Deportation von zwölf Palästinensern aus den besetzten Gebieten international verurteilt. Zugleich waren die PLO und die Regierungen jener arabischer Staaten, die an der Nahost-Konferenz mit Israel teilnehmen, politisch klug genug, die Verhandlungen nicht abzubrechen, sondern lediglich damit zu drohen. Die israelische Regierung wiederum zeigt bislang keinerlei Bereitschaft, die Deportationsbefehle rückgängig zu machen.

Der Streit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß Deportationen von Palästinensern aus den besetzten Gebieten seit langem alltäglich sind. Daß Israel damit immer wieder gegen die Vierte Genfer Konvention verstoßen hat, ist auch nicht neu. Kritische internationale Reaktionen sind darauf dennoch selten erfolgt. Manchmal wurden die Deportierten anschließend in den arabischen Nachbarstaaten inhaftiert, grausam mißhandelt und verhört. Dazu steht die jetzige Empörung der arabischen Regierungen in krassem Mißverhältnis.

Die Gründe für den plötzlichen Protest gegen die harte Politik Jizchak Schamirs liegen auf der Hand: Teile der Regierung versuchen, durch gezielte Provokation der Palästinenser in den besetzten Gebieten den Graben zu vertiefen, der sich von Anfang an zwischen Befürwortern und Gegnern einer palästinensischen Beteiligung an den Gesprächen mit Israel aufgetan hat. Die jetzigen Deportationen sollen das politische Lager der Verhandlungsgegner vergrößern, ebenso wie die „Freigabe“ des Ostjerusalemer Viertels Silwan für die Siedler.

Der israelische Ministerpräsident wünscht offensichtlich, daß der diplomatische Seiltanz der palästinensischen Delegation mit einem jähen Absturz endet, weil die Bevölkerung der besetzten Gebiete ihren Vertretern das Mandat durch lautstarke Proteste und zunehmende Militanz gegenüber der Besatzungsmacht entzieht. Damit hätte Schamir, der die Verhandlungen mit den Palästinensern vor allem führt, um mit Syrien, Libanon und Jordanien zu separaten Friedensverträgen zu kommen, endlich ein Ausscheiden der Palästinenser erreicht. Dies sucht jetzt sogar der UN-Sicherheitsrat zu verhindern. Aber diese Politik unterschätzt die Bedeutung der „Palästinafrage“ für die Legitimation der Politik arabischer Staaten. Wenn Israel die Palästinenser jetzt indirekt zu einem Ausstieg aus den Verhandlungen zwingen könnte, müßten die beteiligten arabischen Regierungen die Gespräche womöglich abbrechen. Der PLO und der palästinensischen Delegation bleibt auch weiterhin nichts anderes übrig, als dieses makabre Spiel mitzuspielen. Nina Corsten