Beamte als fünfte Kolonne

■ Brisante Vorgeplänkel für die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst

Beamte als fünfte Kolonne Brisante Vorgeplänkel für die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst

Bundesinnenminister Seiters will alles beim alten lassen. Die von seinem Kollegen Möllemann ins Spiel gebrachte vorgezogene Besoldungserhöhung für die Beamten zum Dumpingtarif lehnt er ab, weil er sich gegen die Einmischung des Wirtschaftsministers in seine Kompetenzen wehrt und weil er sich die Reise nach Stuttgart zu den Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes gleich sparen könnte, ginge er auf diesen Vorschlag ein. Denn die Provokation Möllemanns zielt ja ausdrücklich darauf, mit einer niedrigen Besoldungserhöhung für die Beamten die Tarifabschlüsse im gesamten öffentlichen Dienst und in der gewerblichen Wirtschaft zu präjudizieren. Daß die Gewerkschaften das unter keinen Umständen mitmachen werden, ist Seiters klar. Gleichzeitig aber fühlt er sich bemüßigt, vor einem Forum des Deutschen Beamtenbundes die Unantastbarkeit des Berufsbeamtentums zu versichern. Aber das Berufsbeamtentum ist gerade die Grundlage, auf der Vorstöße wie der von Möllemann eine politische und rechtliche Plausibilität erhalten: politisch, weil der FDP-Minister auf das Ressentiment in der Bevölkerung gegen angebliche und tatsächliche „Beamtenprivilegien“ spekuliert — rechtlich, weil der Beamtenstatus den „Staatsdienern“ das Recht auf frei ausgehandelte Tarife vorenthält. Rechtlich betrifft die Ende Januar beginnende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes nur die beim Staat beschäftigten Angestellten und Arbeiter. Die Besoldung der Beamten wird nicht durch Tarifverhandlungen ausgehandelt, sondern hoheitlich durch Parlamentsbeschluß festgelegt. Bisher wurde vom Parlament routinemäßig der Tarifabschluß auf die Beamten übertragen. Wenn Möllemann das jetzt ändern will, macht er sich den Umstand zunutze, daß Beamte rechtlich Arbeitnehmer zweiter Klasse sind.

Diesen nicht unbeträchtlichen Restbestand des deutschen Obrigkeitsstaates will Bundesinnenminister Seiters als überzeugter Konservativer keineswegs ändern. Denn im Zweifelsfall will auch er auf den willfährigen, zu besonderer Loyalität verpflichteten „Staatsdiener“ nicht verzichten und beispielsweise die Beamten zu Streikbrecherarbeiten anweisen können. Bei den Gewerkschaften allerdings müßte der Vorstoß Möllemanns höchste Alarmstufe auslösen. Bevor die Beamten vom staatlichen Arbeitgeber bei künftigen Tarifauseinandersetzungen planmäßig als fünfte Kolonne eingesetzt werden, müssen die Arbeitnehmerorganisationen ihr opportunistisches Taktieren in Sachen Berufsbeamtentum beenden und endlich ernst machen mit ihrer seit langem erhobenen Forderung nach arbeitsrechtlicher Gleichstellung von Arbeitern, Angestellten und Beamten. Dazu gehört zuallererst die klare Aussage, daß das Berufsbeamtentum abgeschafft werden muß. Martin Kempe