Rechtsradikale Bombendrohungen in Schweden

Nach Bombenanschlag auf Stockholmer Hauptbahnhof sucht Polizei Täter im rechtsextremen Milieu/ Forderung der Attentäter: Freilassung eines Neonaziführers/ Schwedische Rechtsradikale pflegen gute Kontakte zu Neonazis in Deutschland  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

„Wir fordern die sofortige Freilassung von Klas Lund. Diese Forderung ist nicht verhandlungsfähig.“ Telefonate dieses Inhalts, verbunden mit konkreten Bombendrohungen, halten seit zwei Wochen Schweden in Atem. Daß zumindest ein Teil dieser Anrufe ernst zu nehmen ist, weiß die Polizei spätestens seit dem 30.Dezember, als im Hauptbahnhof von Stockholm eine Bombe explodierte und einen Menschen verletzte. Es gab nur deshalb keine/n Tote/n, weil der Bahnhof aufgrund einer Vorwarnung rechtzeitig geräumt werden konnte.

Seither ist praktisch kein Tag mehr ohne neue Attentatsdrohungen vergangen. Zuletzt mußte in der Nacht zum Montag der Bahnhof von Göteborg, der zweitgrößten Stadt des Landes, geräumt und aller Verkehr gestoppt werden. Ein Verdächtiger wurde inzwischen verhört. Ähnliche Vorsichtsmaßnahmen trafen bereits mehrfach den Hauptbahnhof von Stockholm, die Bahnhöfe von Malmö und Helsingborg und verschiedene Flugplätze.

Dabei nimmt die Polizei längst nicht jede Drohung ernst, sondern im wesentlichen nur solche, in denen Details über den Anschlag in Stockholm erwähnt werden, die in der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt sind.

Dieser Anschlag nämlich ließ die Beschwichtigungen der schwedischen Sicherheitspolizei null und nichtig erscheinen, die bislang immer behauptet hatte, bei der rechtsradikalen Szene handle es sich um isolierte Grüppchen von Spinnern, die nur zu der ein oder anderen Schlägerei, allenfalls mal zu einem einzelnen Waffendiebstahl fähig seien. „Die Bombe von Stockholm ist eine unerhört ernste Angelegenheit, sie zeugt von großer bombentechnischer Fachkenntnis“, mußte Reichspolizeichef Björn Eriksson zugeben. Dann verhängte die Polizei eine Nachrichtensperre und ließ keine Einzelheiten mehr nach außen dringen. Bekannt wurde aber, daß es sich um eine Splitterbombe handelte, die mit einem Berührungszünder versehen war, der sie beim Versuch der Entschärfung explodieren ließ: Exakt dies war in einem vorangegangenen Telefonanruf angekündigt worden.

Parallelen gibt es darüber hinaus zu einer Reihe von Anschlägen auf AusländerInnen in den Wochen zuvor. Einige Tage vor der Explosion im Bahnhof wurde in einem Stockholmer Vorort ein Bombenanschlag auf eine Pizzeria verübt, bei dem zur Begründung der Tat ausländerfeindliche Flugblätter hinterlassen worden waren. Was bei der im Hauptbahnhof explodierten Bombe allerdings erstmals sichtbar wurde, war die technische Fähigkeit und der politische Wille, mehr als nur begrenzten Schaden anrichten zu wollen und zu können: Ohne Vorwarnung und Räumung hätte es zu einem Blutbad kommen können.

Klas Lund, dessen Freilassung im Zusammenhang mit dem Anschlag verlangt wurde, ist einer der Führer der Organisation „Vitt Arisk Motstand“ (VAM), (Weißer arischer Widerstand). Wegen eines Banküberfalls — die Staatsanwaltschaft vermutet die verschwundene Beute von über 100.000 DM irgendwo in dieser Organisation — und eines Überfalls auf ein Waffendepot der Polizei war er kürzlich zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Morgen soll die Berufungsverhandlung beginnen.

VAM wird von BeobachterInnen der rechtsradikalen Szene seit längerem als die militanteste Gruppe eingeschätzt. Hier haben sich Rechtsradikale gesammelt, denen die „traditionellen“ rechtsradikalen Organisationen, wie die „Nordische Reichspartei“ und „Bewahrt Schweden schwedisch“ nicht gewaltbereit genug waren. Ein Vorbild für sich sieht VAM selbst offensichtlich in den USA: die „White Aryan Resistance“, vom FBI 1984 wegen umfassender gewalttätiger Konspiration ausgehoben. In ihrer Zeitschrift 'Storm‘ (Sturm) propagiert VAM den Kampf gegen Ausländer, Juden, Schwarze und Homosexuelle.

Es gibt Hinweise, daß VAM enge Verbindungen zu deutschen und englischen Rechtsradikalen pflegt, gemeinsame militärische Ausbildungslager sollen existieren.

VAM bezeichnet sich selbst als „nationalsozialistisch“ und predigt den „internationalen Rassenkrieg mit allen Mitteln, die notwendig sind“. In einem im Gefängnis geführten Interview bezeichnete am Wochenende Klas Lund die „zionistische Okkupationsmacht“ als den eigentlichen politischen Gegner, da diese „die politisch und kulturell dominierende internationale Kraft“ sei.

Im Gerichtsverfahren hatte Lund auf die Frage, ob er und seine Organisation für ihre Ziele auch Menschen töten würden, geantwortet: „Alle Mittel sind zugelassen.“ In der politischen Diskussion in Schweden mehren sich nun die Stimmen, die ein Verbot von VAM fordern.