Pierre Mauroy verläßt Parteispitze

Paris (afp/taz) — Pierre Mauroy mußte als erster dran glauben. Mit dem gestern bekanntgewordenen Rücktritt ihres Parteichefs leiteten die französischen Sozialisten die heiße Phase der Vorbereitungen für die Regionalwahlen im März ein. Doch ob mit oder ohne Mauroy — an einen Wahlsieg der Regierungspartei mag in Paris niemand mehr glauben. Statt dessen sind weitere Personalopfer für die sozialistische Sache im Gespräch — darunter vor allem Umbesetzungen des Kabinetts. Auch der Stuhl von Regierungschefin Edith Cresson wackelt: Voraussichtlich wird sie ihr Amt aber noch bis nach den Regionalwahlen behalten.

Mauroy will heute bei einer Parteivorstandssitzung seinen Rücktritt bekanntgeben. Die Wahl seines Nachfolgers dürfte am Samstag stattfinden. Mauroy selbst will offensichtlich den Präsidenten der Nationalversammlung, Laurent Fabius, als künftigen Parteichef vorschlagen. Als Nachfolgekandidat ist aber auch Städtebauminister Michel Delebarre, ein enger Vertrauter des derzeitigen EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, im Gespräch. Seine Wahl würde zwangsläufig eine Regierungsumbildung nach sich ziehen. Seit längerem gab es in Paris Rücktrittsgerüchte. Vor allem parteiinterne Widerstände gegen die von ihm vorgeschlagene Wahlrechtsreform sollen Mauroy zu dem Schritt bewogen haben.

Nach Einschätzung Mauroys droht den Sozialisten ohne die Wahlrechtsreform auch bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr eine schwere Niederlage. Der Sonderparteitag Mitte Dezember, bei dem es den Sozialisten gelang, ihre langjährigen Flügelkämpfe auszuklammern und ein neues Programm zu verabschieden, gab Mauroy nun die Gelegenheit, sein Mandat niederzulegen.

Mauroy war 1981 nach der Wahl von Mitterrand zum Staatspräsidenten Premierminister der sozialistisch-kommunistischen Koalitionsregierung. Den Parteivorsitz übernahme er 1988. Der Wechsel an die Spitze der Regierungspartei dürfte der Auftakt zu Umbesetzungen im Kabinett sein. Selbst wenn es in dieser Woche noch zu keiner Regierungsumbildung kommen sollte, dürfte sie noch vor März stattfinden. Im Anschluß an die Regionalwahlen wird auch die Ablösung von Cresson erwartet, die seit ihrer Ernennung im Frühjahr 1991 nicht das Vertrauen der Franzosen gewinnen konnte und kräftig zum Popularitätsverlust Mitterrands beiträgt. dora