Atommüll soll AKW-Standort Stendal erhalten

■ Grüne: Lagerung von strahlendem Kobalt-Müll als Test/ Es handelt sich um die Reste der DDR-Trinkwasser-Aufbereitung

Berlin (taz) — Die ostdeutsche Energiewirtschaft behält sich weiterhin vor, in Stendal ein Atomkraftwerk zu bauen. Das geht nach Informationen der grünen Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt aus Projektunterlagen der Vereinigten Energiewerke AG (Ost-Berlin) und der Kernkraftwerks-GmbH Stendal hervor. Ein erster Test für diese Pläne ist nach Einschätzung der Grünen, daß schon seit Mitte Dezember vergangenen Jahres radioaktive Kobalt-Abfälle auf dem Gelände des noch zu DDR- Zeiten geplanten Atomkraftwerks lagern.

Sicher sei bisher, daß ein 200-Liter-Faß mit strahlendem Kobalt-60 auf dem AKW-Gelände lagere, so Uwe Arnold von den Grünen in Magdeburg. Möglicherweise seien aber auch mehrere Behälter nach Stendal gebracht worden. Der strahlende Müll hat schon eine längere Irrfahrt durch Sachsen-Abhalt hinter sich. Zunächst lagerte das Kobalt überirdisch auf einem Industriegelände in Bitterfeld. Danach wurde es ins per Gerichtsbeschluß gesperrte Zwischenlager Morsleben gebracht, von dort dann schließlich nach Stendal.

Der radioaktive Müll stammt aus der Aufbereitung des Trinkwassers. Nach Informationen der Grünen wurde das Kobalt in der ehemaligen DDR eingesetzt, um die Verschlammung von Trinkwasser-Brunnen zu verhindern. Weil das gesetzlich mittlerweile verboten ist, müssen die Rückstände jetzt beseitigt werden.

„Anscheinend soll schrittchenweise getestet werden, ob sich die Bevölkerung in Stendal noch für Umweltbelange engagiert“, vermutet Heidrun Heidecke, die umweltpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. Außerdem befürchtet sie, daß die Landesregierung mit dem Kobalt-Müll einen Testballon steigen lassen will für die spätere regelmäßige Lagerung von Atomabfällen in Stendal. Eine besondere Brisanz bekommt das Kobaltfaß durch Pläne für den Bau eines AKW in Stendal. Den Grünen in Magdeburg liegen Projektunterlagen der Ost-Berliner Vereinigten Energiewerke und der Stendaler Kernkraftwerks GmbH vor. Mit dem Datum des 26. August 1991 ist darin von zwei Kraftwerks-Varianten für Stendal die Rede: erstens ein Steinkohlekraftwerk und zweitens eine Kombination aus Steinkohlekraftwerk und AKW. Heidrun Heidecke: „Den Unterlagen zufolge sollen Flächen reserviert werden, damit später ein AKW des Siemens-Konzern errichtet werden kann.“

Ob das Kobaltfaß in Stendal gelagert werden darf, ist nach Meinung der Grünen rechtlich völlig ungeklärt. Eigentlich müssen derartige Abfälle in den Landessammelstellen der Bundesländer untergebracht werden. In Sachsen-Anhalt gibt es aber noch keine Sammelstelle. Die Grünen fordern, das Faß in ein anderes Land zu verfrachten. Hannes Koch