Ein Berliner Chronist

■ Ein Buch über den Maler Eduard Gaertner

Die regelmäßigen Besucher der Orangerie und des Schinkelpavillons im Schloßpark Charlottenburg kennen ihn natürlich: den Meister in der Kunst, uns das Berlin des 19. Jahrhunderts vorzuführen, als sei es grad erst fortgewischt worden. Bilder, nicht ganz in der Manier des Photorealismus, aber doch von einer solchen Genauigkeit und Tiefenschärfe, daß man getrost annehmen kann, daß die Details im Hintergrund auch von einer Kamera nicht besser hätten eingefangen werden können. Es geht um die Bilder und Zeichnungen von Eduard Gaertner (1801-1877), um den Architekturmaler, wie man ihn nunmehr zu bezeichnen pflegt.

Wer je in Mailand war und den Dom bestiegen hat, um von dort oben das Panorama der Stadt in sich aufzusaugen, dem sei aufs wärmste eben dieser Blick auch auf Berlin gegönnt: vom Dache der von unserem Freund Karl Friedrich Schinkel erbauten Friedrichwerderschen Kirche — um 1834. Aus diesem Jahr nämlich stammt das Panorama, das Eduard Gaertner von diesem Standort aus gemalt hat (Ausschnitt auf der nebenstehenden Abbildung). Es hängt, neben vielen anderen Werken des Malers, über Eck angeordnet, im zweiten Stockwerk des oben erwähnten Schinkelpavillons und ist von seltener Großartigkeit und Raffinesse, über die sich hier auszulassen leider nicht der Platz ist. In gelbblaues Abendlicht getaucht, liegt uns im 360-Grad-Schwenk das Berlin der Zeit zu Füßen, das sich in vielen Köpfen als das allein selig machende Berlin zeigt. Auf dem Dache selbst tummeln sich allerlei Menschen, wobei mit einiger Phantasie der Maler ebenso zu sehen ist (Selbstporträt) wie Alexander von Humboldt und sonstige illustre Bekannte des Malers. Für die Schloßrekonstruierer in dieser Stadt gibt es auch wunderschöne Innenansichten des Schlüter- und des Eosanderhofes der Königlichen Behausung. Gaertner hat aber nicht nur auf das königliche Berlin, nein, er hat auch auf den Alltag und das Treiben der Menschen auf den Straßen geschaut — genau und als Romantiker. Ach, überhaupt ist es eine Freude, mit diesem Manne die Stadt zu durchwandern, die Einmaligkeit der Stadt und das große Talent des Malers zu bewundern. Möglich macht eine solche Wanderung jetzt das wohlfeile und sehr gut illustrierte Buch Eduard Gaertner. Bilderläuternde Texte und genaue Angaben zur Technik und Größe der Bilder machen das Buch zu einem idealen Geschenk — eines, das man sich getrost auch mal selbst machen kann. mak

Edit Trost: Eduard Gaertner , 128 Seiten, 98 Abb., davon 43 mehrfarbig, Leinen mit Schutzumschlag, 39,80 DM