Vom Unikum zum Appetithappen

Fünf Filme von Robert van Ackeren im „Nacht-Studio“ des ersten Programms  ■ Von Herrn Dittmeyer

Für seinen ersten abendfüllenden Spielfilm Blondi's Number One rekrutierte Robert van Ackeren Schauspieler mit klangvollen Namen wie Gabi Larifari, Barny O'Brian, Tom Snigger und Dolores Makonda. Schon diese Namen brachten den Kunstanspruch voll rüber, verhießen Subkultur, Underground, Exotik, Tingeltangel.

Das änderte sich in dem Maße, wie van Ackerens Filme ein größeres Publikum fanden. Bodenständig- reell geriet sein 83er „Erfolgsfilm“ Die flambierte Frau. Und auch die Namen der SchauspielerInnen klangen eher bürgerlich: Die gute Gudrun Landgrebe brachte in ihre Callgirl-Rolle die geballte Erotik einer Vorstadtfriseuse ein, und Gabi Larifari nannte sich, fast schon spießig, nur noch „Gabriele LaFari“.

Mit Die Venusfalle war dann die Zeit der Experimente endgültig vorüber. Die Protagonisten hießen „Max“ und „Marie“, und das Plakatmotiv zeigte die pfundige Bayerin Sonja Kirchbeger, im Katalog eines Möbelhauses für den Film entdeckt und wahrhaftig eine rustikale Erscheinung, eine Kreuzung aus Maria Schell und Magda Schneider, irgendwie immer geistesabwesend, treudeutsch und ganz schön langweilig. Da war auch noch Myriem Roussel, gewiß, aber die mußte aus Frankreich importiert werden.

Das ARD-„Nacht-Studio“ widmet van Ackeren eine fünfteilige Filmreihe und macht das Publikum in diesem Zusammenhang mit einigen Frühwerken des Regisseurs bekannt, ein lobenswertes, längst überfälliges Unterfangen. Van Ackeren ist diplomierter Kameramann, und es hat seinen Filmen nie geschadet, daß er die einschlägige Technik beherrscht. Bevor er mit eigenen Langfilmen reüssierte, drehte er Kurz-, Experimental- und Dokumentarfilme und führte die Kamera für Regisseure wie Roland Klick, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter oder Klaus Lemke. 1970 entstand Blondie's Number One, ein unbeschönigtes Porträt der Berliner Subkultur mit improvisierenden Darstellern und dokumentarischen Bildern. Ganz anders Harlis aus dem Jahre 1972, ein ausgefeilt inszeniertes Melodram mit Mut zur Trivialität, für das der Regisseur den Ernst-Lubitsch-Preis und noch ein Filmband in Silber bekam.

Die sogenannten besseren Kreise standen im Mittelpunkt von Der letzte Schrei, über den die 'Zeit‘ schrieb: „Man kommt aus dem Kino und hat den Kopf voll von einer Sturzflut sehr befremdlicher Bilder, mit den Rudimenten einer bizarren Geschichte, der vagen Ahnung von einem kruden, tieferen Sinn. Komödie, Thriller, Satire, Lehrstück, Melodram, Nummern-Revue, Moritat, Kabarett: Robert van Ackerens Der letzte Schrei, das muß man ihm lassen, ist nicht klassifizierbar und kaum zu beschreiben, eine seltsame Irritation, ein Unikum.“

In Die Reinheit des Herzens, laut van Ackeren ein „wütender Liebesfilm“, sezierte der Autor und Regisseur das Gefühlsleben der ins Establishment aufgerückten 68er. Lisa und Jean, intellektuell, fortschrittlich, aufgeschlossen, leben in luxuriösem Ambiente und leiden unter dräuender Langeweile. Als freizeitgestaltende Maßnahme schlägt Jean seiner Lebensgefährtin vor, doch einmal einen Seitensprung zu wagen. Sein selbstgefälliges Verhalten reut ihn bald, denn Lisa verliebt sich tatsächlich in einen anderen Mann, einen ungehobelten Kleinkriminellen noch dazu, der Jeans egozentrisches Weltbild ins Wanken bringt.

Die Reihe beginnt heute (23.05 Uhr) mit Die flambierte Frau, unter den fünf Filmen die jüngste und erfolgreichste Arbeit. Schon die Aufführung im Rahmen der Filmfestspiele in Cannes zog er das Publikum in Scharen an. Van Ackeren schrieb darauf folgendes nieder: „Bei der Cannes-Premiere der Flambierten Frau gab es tumultartige Szenen wegen Überfüllung. Der Film wurde ,unzählige‘ Male wiederholt. Ebenso gab es tumultartige Szenen um den Ankauf der Lizenzen. Der Film wurde in Cannes quasi in alle Länder verkauft, in denen ein Projektor steht.“

Das Filmkunstpublikum ist eben überall recht tierlieb, einäugige Schlangen und Möpse sind Verkaufsschlager. Damit bietet die im Milieu käuflicher LiebhaberInnen angesiedelte „obsessive Liebesgeschichte“ (van Ackeren) der öffentlich-rechtlichen ARD die Möglichkeit, den derben Liebesgrüßen aus Privatkanälen künstlerisch „wertvolle“ (Filmbewertungsstelle) Erotikkost entgegenzusetzen und zugleich einen attraktiven Appetithappen als Einstieg in die — leider unvollständige — van-Ackeren-Retrospektive zu offerieren.

„Die Reinheit des Herzens“ am 17.1., „Der letzte Schrei“ am 22.1., „Harlis“ am 29.1., „Blondie's Number One“ am 5.2.