Alte Feinde setzen auf Entspannung

Atomfreie Zone Korea rückt näher/ USA und Südkorea kippen gemeinsames Militärmanöver/ Nukleare Inspektion bald in Pjönjang/ Seoul braucht im Wahljahr innenpolitische Erfolge  ■ Aus Seoul Peter Lessmann

Als das südkoreanische Verteidigungsministerium am Dienstag ankündigte, das alljährlich gemeinsam mit den Streitkräften durchgeführte Militärmanöver „Teamspirit“ für 1992 zu streichen, spielte die Regierung vermutlich ein letztes Mal den Ball direkt vor die Füße der Nordkoreaner. Als Gegenleistung erwartet sie eine Unterschrift — die Anerkennung des Sicherheitsabkommens zum Atomwaffensperrvertrag durch das Regime in Kin Yang. Das kommunistische Regime im Norden hatte bereits am Silvestertag, als sich die beiden Koreas auf eine gemeinsame Erklärung zur Schaffung einer nuklearfreien Halbinsel einigten, signalisiert, daß es das Sicherheitsregelwerk akzeptieren und internationale Inspektoren ins Land lassen wolle. Einen genauen Zeitpunkt nannte Nordkorea jedoch nicht.

Und so standen auf den Gipfelgesprächen zwischen US-Präsident George Bush und dem Seouler Staatschef Roh Tae Woo Montag auch die nuklearen Ambitionen Nordkoreas im Vordergrund. Freilich wiederholten sie nur offiziell, was zwischen Seoul und Washington schon abgekartet war: Verzicht auf Teamspirit und Inspektion der US- Militäranlagen, um zu verifizieren, daß dort keine Atomwaffen lagern. Damit sollte der Norden unter Zugzwang gesetzt werden. Mitte Dezember hatte Roh den Süden für nuklearfrei erklärt und damit indirekt den Abzug der dort lange Zeit stationierten US-Kernwaffen bestätigt. Wenige Tage folgte der Norden einem weiteren Schritt des Südens und gab bekannt, auch auf Wiederaufbereitungs- und Urananreicherungsanlagen jetzt zu verzichten.

Tatsächlich scheint ein atomfreies Korea in greifbare Nähe gerückt und der Beginn eines wirklichen Entspannungsprozesses auch auf der seit 46 Jahren geteilten ostasiatischen Halbinsel bevorzustehen. Doch der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Neben der Inspektion der nordkoreanischen Atomanlagen durch die Internationale Atomenergiemission muß auch die Nuklearerklärung beider Teilstaaten vom 31.12. erst einmal in die Praxis umgesetzt werden.

Reibereien über was, wie und wo inspiziert und verifiziert werden darf und soll, zumal auch Militäranlagen davon betroffen sind, scheinen jedenfalls unausweichlich. Doch daß es überhaupt so weit kommen konnte, und sich Nord- und Südkorea binnen eines Monats sowohl auf einen Wiederaussöhnungsvertrag wie auch die Klärung der Nuklearfrage einigten, ist das eigentlich Überraschende auf der von tiefer Feindschaft gekennzeichneten Halbinsel.

Für das Regime in Kin Yang werden zunehmende internationale Isolation und wirtschaftliches Fiasko ausschlaggebend gewesen sein. Nordkorea will seine Beziehungen zu Japan normalisieren und auch Kontakte zu Washington haben. Ein solcher Schritt, so meinte Bush am Montag in Seoul, käme aber erst dann in Frage, wenn im innerkoreanischen Dialog weitere Fortschritte erzielt würden und sich die Menschenrechtssituation im Norden verbessere.

Südkoreas Regierung dagegen braucht innenpolitisch dringend Erfolge, wenn sie das Wahljahr 1992 ohne Federlassen überstehen will. Im Frühjahr wird das Parlament neu gewählt, Ende diesen Jahres der Präsident. Ein weiterer Durchbruch in den Verhandlungen mit Kin Yang oder gar ein Gipfeltreffen zwischen Staatschef Roh und Kim El Sung aus Nordkorea — einen besseren Wahlkampf gibt es für sie kaum.

In fast allen Fragen erhielt Südkorea feste Rückendeckung von George Bush. Er lobte den Seouler Präsidenten, die Demokratisierung und wirtschaftlichen Erfolge des Landes über den Klee. Daß es in dem ostasiatischen Land mit seiner langen militärischen Tradition auch heute nicht immer demokratisch zugeht und Menschenrechte mißachtet werden, darüber schwieg der Präsident freilich. Erst am Dienstag wurde ein Student trotz des Aussöhnungsvertrages mit Nordkorea wegen angeblicher Sympathien mit dem Diktator Kim El Sung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

Doch all diese Ungereimtheiten und Widersprüche spielen in der großen Politik keine Rolle. Die USA jedenfalls, seit dem Koreakrieg (1950 bis 1953) in Südkorea mit Truppen stationiert, bleiben auch in Zukunft Seouls wichtigster Sicherheitsgarant. „Wir werden solange in Korea bleiben, wie es nötig ist, und wir willkommen sind“, sagte Bush.

Der Präsident präzisierte auch seine Vorstellungen von der neuen Weltordnung: Die USA, meinte er, seien auch ein pazifisches Land und würden mit ihren Streitkräften eine „sichtbare und glaubwürdige Sicherheitspräsenz“ in der Region unterhalten. „Ihre Sicherheit und Ihr wirtschaftliches Wachstum sind in unserem Interesse“, meinte Bush vor der amerikanischen Industrie- und Handelskammer in Seoul. Ein instabiles Asien könne Washington nicht gebrauchen.

In Camp Casey, einem US-amerikanischen Stützpunkt in der Nähe der demilitarisierten Zone, warnte Bush alle Zweifler und Haderer. „Jeder, der unserem Militär mißtraut oder unsere Verpflichtung anzweifelt, jeder, der die Fähigkeit unserer Männer und Frauen in Streitkräften in Frage stellt, der solle sich nur an zwei Worte erinnern — Saddam Hussein.“