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Frau Turner als Nußknacker

■ „V.I. Warshawski“ — Frauenpower à la New-Hollywood

Wenn man erst einmal kapiert hat, wie man V.I.Warshawski auszusprechen hat (genau wie man's spricht, nur auf englisch), kommt man zum deutschen Untertitel: „Detektiv in Seidenstrümpfen“. Da es nicht „Detektivin“ heißt, könnte man annehmen, es handele sich bei dem Film um eine dieser durchgeknallten Transvestiten-Klamotten. Dem ist nicht so. Geschichte und Schauspieler halten aber trotzdem, was der Titel an Schwachsinn verspricht.

Daß endlich einmal jemand Sara Paretskys berühmte Privatdetektivin auf die Leinwand bringt, war ja nun wirklich überfällig. Doch die Disney-Tochter „Hollywood Pictures“ hat der Heldin mit ihrer Lichtspiel- Geburt auch gleich eine Beerdigung verschafft. Als Totengräber fungierten drei Drehbuchautoren, die keine Paretsky-Geschichte adaptierten, sondern sich nur den bekannten Namen ausliehen und selbst eine Story zusammenkleisterten. Regisseur ist Jeff Kanew (Die Rache der Eierköpfe), und die Hauptdarstellerin Kathleen Turner.

Frau Turner mimt Dirty Harry: Coole Sprüche und dicke Knarre. Wenn sie einen Mann braucht, geht sie in die Bar an der Ecke und reißt sich ganz locker ein Prachtexemplar der Marke Eishockeyspieler mit Hirn auf. Leider wird ihr der Hengst noch bevor er seinen Zweck erfüllen kann abgemurkst. Seine 13jährige Tochter Kat („Hast du Papa gefickt?“) engagiert die Detektivin, und endlich können die Krimi-Klischees abgespult werden. Es gilt, fiese Gangster, finstere Schauplätze und fetzige Verfolgungsjagden zu überstehen. Und wer schon immer mal sehen wollte, wie das eigentlicht genau aussieht, diese „Gewalt gegen Frauen“, kommt ebenfalls voll auf seine Kosten: Frau Turner kriegt die löwenmähnige Birne richtig schön brutal weich und blutig gekloppt. Aber keine Angst, die Weiber sind zäh. Wo andere einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt benötigen würden, tut's bei Frau Turner ein neues Make-up. Dann schnappt sie sich einen Nußknacker und geht dem Frauenfeind damit an die baumelnde Männlichkeit — Frauen sind nämlich auch echt gemein.

Das Ganze ist Frauenpower à la New-Hollywood — schon fast ein alter Hut und kaum noch der Aufregung wert. Doch während Sigourney Weaver in Alien und Aliens die moderne Amazone eindruckvoll darzustellen vermochte und Ridley Scotts Thelma und Louise halbwegs spannend und handwerklich perfekt herunter gekurbelt wurde, ist V.I. Warshawski dämlich bis zur Schmerzgrenze. Nichts stimmt. Die miese Story eiert ohne jeden Rhythmus durch Chicago. Der Schnitt ist gräßlich, Anschlüsse stimmen nicht und Kathleen Turner, die vor zehn Jahren als Eine heißkalte Frau (Body Heat) die Zuschauer faszinierte, nimmt man die Figur der Detektivin keine Sekunde lang ab. Ihr Spiel ist aufgesetzt, die langen Beine reichen nicht aus für die Rolle. Frau Turner ist inzwischen 37 Jahre alt. Das ist, ob man dagegen protestiert oder nicht, verdammt alt für eine Hollywood-Schauspielerin. Sie sollte aufhören, sich als Sex-Objekt vermarkten zu lassen und endlich ins Charakterfach wechseln. Karl Wegmann

Jeff Kanew: V.I. Warshawski , mit Kathleen Turner, Angela Goethals u.a., USA 1991, 89 Min.

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