Schimmern Rosen fahl

Über Doris Dörries „Happy Birthday, Türke“  ■ Von Michaela Lechner

Der Erfolg von Männer war schwer verdaulich. Ist ein Maßstab etabliert, ein Star geboren und maßlos überschätzt, kann es nur bergab gehen. Paradies (1986) und Geld (1989) floppten in die Regale, nicht nur weil die Filme schlecht waren. KritikerInnen hatten das „Ute- Lemper-Syndrom“ diagnostiziert, und dagegen scheint hierzulande kein Kraut gewachsen.

Auch im Vorfeld von Happy Birthday, Türke!, dem neuen Film von Doris Dörrie, herrschte einhellig Einigkeit: Der Film ist Tatort- gleich — Synonym für biedere Unterhaltungsschonkost.

Happy Birthday, Türke ist in der Tat ein Krimi und basiert auf dem gleichnamigen Roman des in Frankfurt geborenen, in Berlin lebenden Türken Jakob Arjouni.

Doris Dörrie hält sich an die lakonische Vorlage und verbündet sich mit Hollywoods Schwarzer Serie: Großstadtblues rund um den türkisch-deutschen Privatdetektiv Kemal Kayankaya (Hansa Czypionka).

Kayankayas Tatort ist Frankfurt. Krude realistisch zeigt Doris Dörrie die Stadt, wie sie am wirklichsten und häßlichsten ist. Grau in grau, durch die Vorstädte vorbei am Beton der Hochhaussilos, ins Bahnhofsviertel, die Müllverbrennungsanlage und dann zum Kiosk Ost. Blaugefiltert schimmern Lippen blutleer und Rosen fahl, die ProtagonstInnen sind uniform in blau gekleidet. Stilisierter Realismus, weil es wirklich kühl sein soll in der Stadt und zwischen den Menschen.

Kayankaya ist Privatdetektiv, wie er bei Chandler und Hammett vorkommt: lonseome, neurotisch, zynisch, sentimental, vielleicht auch ein bißchen schmierig. Aber gewitzt und sympathisch. Eine „Camel“ vor dem Frühstück, anschließend den obligatorischen Whiskey, zum Rasieren ins Auto. Pokerface, bevor der Detektiv wieder einmal in sumpfigen Kungeleien, zwischen korrupten Bullen und leichten Mädchen schnüffelt. Vielleicht könnte Kayankaya Philip Marlowe heißen oder Sam Spade, und doch ist er anders.

Er ist ein Mann mit Geschichte. In Deutschland geboren, bei deutschen Pflegeeltern aufgewachsen und doch türkischer Abstammung. Weil er den Ehemann der Türkin Ilter Hamul (Özay) aufspüren soll, muß er sich des Türkischen per Wörterbuch bemächtigen und zwischen Milieus belancieren.

Doch ob unter Türken oder Deutschen, Kayankaya ist immer ein Spur daneben. Daß er Identitätsprobleme hat, wird sichtbar, ohne Betroffenheit heischend in den Vordergrund zu drängen. Lakonisch wird das Thema Rassismus in die Geschichte eingewebt. Die ganz „alltäglichen“ Vorurteile seiner dialektal angehauchten, jovial-bornierten Mit- Hessen kontert der Detektiv wortgewandt und akzentfrei. „Sie sprechen aber sehr gut Deutsch“, wird ihm versichert. „Danke, Sie aber auch!“ antwortet Kayankaya charmant.

Yuppie-Kneipe, plüschige Striptease-Bar, mit Nippes überladene Wohnstuben — für 200 D-Mark am Tag (plus Spesen) trifft Kayankaya auf deutsches Kulturgut. Die Detektionen des Detektivs verdichten sich im Verlauf des Films zur boshaften Bestandsaufnahme von Alltagsmief, Spießertum und Reibereien im „multikulturellen“ Ambiente. Zwangsläufig gerät die Aufklärung des Falls — in der literarischen Vorlage krampfig konstruiert — zur Nebensache. Vielleicht ist Happy Birthday, Türke! deshalb kein besonders spannender Krimi. Sondern ein Film mit ausgezeichneten SchauspielerInnen, der die deutsche Wirklichkeit sarkastisch portraitiert. Die Ähnlichkeit mit diesem Tatort ist tatsächlich nicht frei erfunden.

Happy Birthday, Türke! ,

Regie: Doris Dörrie,

mit Hansa Czypionka,

Özay, Doris Kunstmann, BRD 1991 109 Min., Farbe.