Kevin allein im Kino

■ Jahreshitparade der Kinofilme/ Bessere Zeiten für deutsche Verleiher: zwei Filme unter den zehn Topfilmen des letzten Jahres

Allgemein ist 1991 inzwischen das Jahr zwei nach der Wende oder gar das Jahr eins nach der Vereinigung — an diese Zeitrechnungen scheint man sich nach unendlicher Wiederholung in den Medien fast gewöhnt zu haben. Genau da macht sich eine neue Zeitrechnung breit: 1991, das war das Jahr eins nach Pretty Woman. Zugegeben, auch ich habe im Jahre eins danach diese reizende Frau gesehen (ob nun mangels eines anderen Angebots im Provinzkino, auf das ich mangels anderer Abendbeschäftigungen insbesondere „zwischen den Jahren“ angewiesen war, oder was auch immer es war — ich habe es verdrängt), aber sonst habe ich mit meinen Kinobesuchen nicht direkt den Hitlistengeschmack getroffen.

Unter den zehn Kinoknüllern, die zwischen dem 29. November 1990 und dem 27. November 1991 die Besucher in die Säle lockte, habe ich gerade einen gesehen: Das Schweigen der Lämmer, plaziert auf Rang zehn mit rund 3,3 Millionen Besuchern. Was zum Kuckuck habe ich mir denn rund zweimal die Woche im letzten Jahr alles angesehen? Wie konnte ich den Zeitgeschmack so derart verfehlen? Unter den 100 Topgeldquellen gerade zwölf „Treffer“. Die meisten plaziert zwischen Rang 66 (Der Mann der Friseuse) und 82 (Hamlet).

Den einsamen Kevin und Spitzenreiter der Saison (rund 6,4millionenmal bedauert) — Fehlanzeige. Der Wolfstänzer, mit dem 6,27 Millionen tanzten, und der beinharte Werner (4,81 Millionen) — sie ließen mich kalt. Dahinter folgen auf Platz vier und fünf Robin Hood (4,50 Millionen) und Nicht ohne meine Tochter (4,13 Millionen) — und ohne mich. Terminator II habe ich (bis jetzt) trotz etlicher Bezirzungsversuche einiger Freunde (was soll man dazu noch sagen?) erfolgreich boykottiert — 3,98 Millionen Kinogänger haben's nicht geschafft. 3,86 Millionen Besucher vergnügten sich bei der Nackten Kanone 21/2, Arielle, die Meerjungfrau dagegen verzauberte 3,85 Millionen Kinosesseldrücker. Platz neun nimmt mit 3,51 Millionen Besuchern Pappa ante portas ein.

Insgesamt sind vier deutsche Produktionen unter den Top 20 zu finden (außer Werner und Pappa noch Go, Trabi, Go und Homo Faber auf den Plätzen 18 und 19), der Marktanteil liegt somit bei nunmehr 13 Prozent im Vergleich zu 6,4 Prozent im Vorjahr. Dafür büßte die US-amerikanische Produktion erstmals nach steigenden Anteilen, die 1990 bei 85 Prozent gipfelten, dieses Jahr ein. 77 Prozent verzeichneten sie 1991. Frankreich und Großbritannien, die einzigen beiden europäischen Länder, die (allerdings mit großem Abstand) folgen, mußten ebenfalls Verluste hinnehmen. Von jeweils drei Prozent im Vorjahr fielen die französischen Marktanteile auf 2,37, die britischen auf 1,67 Prozent. Bester Platz, den ein französischer Film, Cyrano de Bergerac, erreichte, war der 26.

Was aber waren die zehn am wenigsten erfolgreichen Filme des Jahres 1991, die von der Zeitschrift Filmecho/Filmwoche auf die hintersten Plätze verwiesen wurden? Schlußlicht ist Der Kuß vor dem Tode, knapp davor liegt Manchmal kommen sie wieder — bei Platz 98 allerdings zeigt sich schon, daß die Liste Äpfel und Eier vergleicht — und vielleicht auch nur genausoviel wert ist. Auf Platz 98 liegt Bei mir liegen sie richtig — ein Film, der erst seit dem 13.12 91 läuft und damit quasi unmöglich ähnliche Besucherzahlen haben kann wie Filme, die seit Januar 1991 im Kino sind. Bei anderen Filmen ist der Run längst abgeflacht, da sie noch 1990 angelaufen sind, die vielleicht guten Besucherzahlen werden also für die Hitliste nicht mehr berücksichtigt.

Dennoch: Die Gewinne der Verleiher lassen sich vergleichen. Absolute Verleihgigantin ist auch diese Jahr wieder, wie im Jahr der Pretty Woman, die Warner, die mit 53 Filmen 16,45 Prozent der Marktanteile einnimmt. Im Vorjahr hatten sie dank Julia Roberts allerdings noch 30,11 Prozent der Anteile. Insgesamt verbuchen die vier größten Verleiher (Warner, Columbia Tri Star, UIP und Fox) 57,29 Prozent, während sie im Vorjahr noch deutlicher mit 71,24 auf dem Markt dominierten. Ihre Verluste gehen vor allem auf die deutschen Produktionsgewinne zurück.

Erfreulich sieht auch die Prognose für das Jahr zwei nach... für die Kinobesitzer aus, glaubt man der Marktanalyse: Rund 112 Millionen Zuschauer (1991 waren es 102,5 Millionen) erwarten sie in den alten Bundesländern. Petra Brändle