Ultraradikale beugen sich Milosevic

Der Präsident der Region Krajina, Milan Babic, will nun doch Blauhelme auf seinem Gebiet zulassen/ Für Abschuß eines Hubschraubers der EG verantwortlicher General vom Dienst suspendiert  ■ Aus Budapest Roland Hofwiler

Einen Tag nach dem Abschuß zweier EG-Hubschrauberin Kroatien haben die serbischen Nationalisten der westkroatischen Region Krajina ihren Widerstand gegen die Entsendung von UNO-Friedenstruppen aufgegeben. Nationalistenführer Milan Babic erklärte am Mittwoch, er stimme der Stationierung von Blauhelmen unter der Voraussetzung zu, daß „die Interessen des serbischen Volkes nicht gefährdet werden“. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte den Abschuß und forderte die Bestrafung der Schuldigen. Bei dem Abschuß waren am Dienstag vier italienische und ein französischer Beobachter ums Leben gekommen.

Babic hatte am Vortag noch erklärt, die Stationierung von Friedenstruppen innerhalb ihrer für autonom erklärten Region sei nicht akzeptabel. Ähnlich hatten sich auch Nationalistenführer in andereren Serbengebieten Kroatiens geäußert und sich damit in Gegensatz zum serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic gebracht. Babic war wegen seiner Äußerungen vor das jugoslawische Staatspräsidium zitiert worden, in dem nur noch Serbien und seine Verbündeten vertreten sind.

Jugoslawiens Rumpfpräsidium supendierte Luftwaffenchef Zvonko Jurijevic und äußerte ebenso wie die Bundesregierung „tiefes Bedauern“ über den „ungewollten und tragischen“ Vorfall. Verteidigungsminister Veljko Kadijevic bat den Chef der EG-Beobachtermission, „alles zu unternehmen, um negative Konsequenzen des Zwischenfalls auf den Friedensprozeß zu begrenzen“.

Der Abschuß wird nach den Worten von UNO-Vermittler Vance den Waffenstillstand nicht beenden. Vance erklärte in der 'New York Times‘, er sei überzeugt, daß Gegner des Friedensplans von EG und UNO in den Reihen der Armee hinter dem Vorfall stünden.

General Jurijevic ist als Hardliner bekannt

Zvonko Jurijevic, der Oberbefehlshaber der jugoslawischen Luftwaffe, ist kein Unbekannter. Und es ist längst kein Geheimnis mehr, daß auf sein Konto nicht nur der Abschuß der beiden EG-Hubschrauber geht, sondern auch die Bombardierung der Altstadt Dubrovniks und der Flugangriff auf den kroatischen Präsidentenpalast im letzen Herbst, bei dem der damalige jugoslawische Präsident Stipe Mesic, Premier Ante Markovic und Kroatenpräsident Franjo Tudjman nur knapp mit dem Leben davonkamen. Als der im Juli bis dahin amtierende Luftwaffenchef Antun Tus, ein Kroate, als „Ustascha- Faschist“ beschuldigt wurde, kam mit Jurijevic ein „Mann der Entschlossenheit“ ans Ruder.

Er wurde in der serbischen Presse nicht nur gefeiert, bei zahlreichen Audienzen zwischen dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und der Generalität war auch Jurijevic dabei. Man konnte ihn im serbischen Fernsehen bewundern, wie er „Geheimpläne“ der kroatischen „Faschisten“ aufdeckte, und seine rechte Hand, General Stevan Roglic, zeichnete persönlich verantwortlich für Presseaussendungen, in denen die Stabsleitung der Luftwaffe die Gefahr beschwor, Tudjman beabsichtige die Bombardierung Belgrads, um so den Krieg von den kroatischen Schlachtfeldern auf die Republik Serbien auszuweiten.

Was nun den Luftwaffenchef Jurijevic veranlaßt haben mag, die EG- Hubschrauber abschießen zu lassen, darüber kann vorerst nur gerätselt werden. Ausgeschlossen ist aber nicht, daß Jurijevic vom stellvertretenden jugoslawischen Verteidigungsminister Blagoje Adzic, der sich noch vor kurzem gegen den Einsatz von Blauhelmen ausgesprochen hatte, Rückendeckung bekam. Informanten in Belgrad sagen Adzic und seinen Leuten nach, sie verfolgten eine Doppelstrategie, einerseits Verhandlungen mit den Friedensvermittlern des Auslandes einzugehen, andererseits an der Front vollendete Tatsachen schaffen zu wollen.

Wenngleich gestern Veljko Kadijevic gleich mehrmals sein Bedauern über den Abschuß der EG-Hubschrauber zum Ausdruck brachte, der Luftwaffenchef seines Amtes offiziell enthoben wurde und man ankündigte, eine gründliche Untersuchung des Vorfalls einzuleiten und die Verantwortlichen drakonisch zu bestrafen, glaubt in Belgrad niemand so recht, daß Zvonko Jurijevic wirklich vor Gericht gestellt werden wird. Auch als Dubrovniks Altstadt bombardiert wurde, sicherte die jugoslawische Generalität sofort zu, den dortigen Kommandanten Miodrag Jokic vor ein Gericht stellen zu lassen. Doch was geschah? Der Kommandant wurde nur versetzt, sein neuer Vorgesetzter wurde bezeichnenderweise Zvonko Jurijevic.

Alte Feindschaften wirken weiter

Und noch etwas sollte zu denken geben: Als die jugoslawische Bundesarmee Ende Juni einen Blitzkrieg gegen Slowenien eröffnete, bekam der damalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Antun Tus, den Befehl von General Adzic, die slowenische Hauptstadt bombardieren zu lassen, um die „abtrünnigen“ Slowenen zur Kapitulation zu bewegen. Tus lehnte ab und desertierte zu den Slowenen. Heute ist Tus Kommandant der kroatischen Nationalgarde, für die serbisch dominierte Bundesarmee der Inbegriff des Feindes schlechthin. So sprach es Zvonko Jurijevic vor Offizieren der Luftwaffe offen aus: Er wolle Tus tot oder lebendig, und er werde alles tun, um die kroatische Regierung zur Kapitulation zu zwingen. Zwar ist Jurijevic nun seines Postens enthoben, ob jedoch der Scharfmacher nicht doch noch ungeschoren davonkommt, wird sich zeigen. Denn eines ist unbestritten, der vom Dienst suspendierte Luftwaffengeneral hat nach wie vor Freunde in den höchsten Schaltstellen der „jugoslawischen“ Streitkräfte.