piwik no script img

Schlappe für den Handlungsreisenden

■ Die Öffnung der japanischen Märkte für US-Erzeugnisse wollte George Bush bei seinem Besuch erreichen. In Begleitung der Chefs der größten US-Autokonzerne trat Bush als oberster "Autoverkäufer"...

Schlappe für den Handlungsreisenden Die Öffnung der japanischen Märkte für US-Erzeugnisse wollte George Bush bei seinem Besuch erreichen. In Begleitung der Chefs der größten US-Autokonzerne trat Bush als oberster „Autoverkäufer“ der Nation auf. Einige Zugeständnisse Tokios hätten ihm den gewünschten Publicity-Erfolg bescheren können. Doch sein Schwächeanfall vor dem Konkurrenten hatte für die Japaner fast Symbolwert.

AUS TOKIO GEORG BLUME

In

der jüng-

sten Geschichte der USA treten die unterschiedlichsten Figuren auf. Eisenhower war ein General, Kennedy ein Edelmann, Johnson ein Intellektueller, Nixon ein Schweinehund, Carter ein Moralist und Reagan ein Held. Welche Figur aber gibt George Bush ab? Ist er gar ein Handelsreisender, raten derzeit die Japaner — nicht einmal ein Diplomat, sondern nur ein einfacher „Car-Salesman“, wie der Londoner 'Economist‘ höhnte?

Verwirrt beobachten Politiker in aller Welt den US-amerikanischen Präsidenten auf seiner Handelsmission nach Japan. Aus dem Mann, der noch vor einem Jahr die Welt in den Golfkrieg führte, ist in Japan ein bettelnder Rezessionsverwalter geworden — ein Mann, der vor Toyota, Nissan und Honda in die Knie geht, damit deren Händler in Japan mehr Autos aus Detroit verkaufen. Die Anstrengung war George Bush in Tokio anzumerken. Noch gestern nachmittag log der Präsident im amerikanischen Fernsehen: „Mir geht es physisch gut.“

Bushs Zusammenbruch vor laufenden Kameras

Am Abend aber brach George Bush vor den Gästen des japanischen Staatsbanketts und einer laufenden Kamera ebenso unvermittelt wie unfreiwillig zusammen und lag für kurze Zeit bewußtlos zu Boden. Seine Helfer wagten nicht, ihn aufzurichten, bis er sich selbst wenig später aufraffte und mit zerrauften Haaren und offenem Kragen schleunigst in sein Gästehaus verschwand. Noch am späten Mittwoch abend rätselten die Japaner über den Gesundheitszustand des US-Präsidenten, den US- Regierungssprecher Fitzwater auf

der anschließenden Sonderpressekonferenz mit „Darmgrippe und Übelkeit“ beschrieb. Mit den Herzrhythmusstörungen des Präsidenten vom Mai 1991, so Fitzwater, habe die Sache nichts zu tun. Doch eine Grippe allein hätte George Bush wohl kaum umgehauen.

Der Vorfall barg denn auch Symbolgehalt. Da zeigte der US-Präsident ausgerechnet vor dem schärfsten Wirtschaftskonkurrenten Japan einen Schwächeanfall. Barabara Bush, die die Tischrede ihres Mannes übernehmen mußte, führte das Versagen des Präsidenten humorvoll auf das Tennisspiel am Nachmittag zurück, als Bush und US-Botschafter Armacost dem japanischen Kaiser und seinem Sohn unterlagen. Auch das noch! Der Andrang der US-Journalisten verriet schließlich die peinliche Erregung der Amerikaner. Zumal auf der japanischen Seite — welch Wunder? — niemand zusammengebrochen war. Hatten die Japaner etwa leichtes Spiel in den Verhandlungen mit George Bush?

Voller Ironie verfolgten die japanischen Zeitungen bislang die ungewöhnliche Promotionstour des US- Präsidenten durch Japan. „Der Chefmanager der US-GmbH läuft in unserer alten Stadt herum“, titelte gestern die renommierte Tageszeitung 'Asahi Shinbun‘, nachdem Bush zum Auftakt seiner Staatsvisite die frühere Kaiserstadt Kioto besuchte. Statt von der „Japan AG“, einem Begriff, mit dem der Westen auf die Intrigen zwischen Politik und Wirtschaft in Nippon schimpft, ist nun also in Japan von der „US-GmbH“ die Rede, weil Bush in Begleitung von zwanzig Firmenchefs durchs Land tourt.

US-Devise: Mehr Jobs für Amerikaner

Entsprechend der Devise seiner Asien-Reise „Mehr Jobs für Amerika“ beschränkte sich Bush während der Regierungsgespräche in To

kio

auf die

Handelspolitik.

Wo immer der US-

Präsident bisher in Japan öffentlich auftrat, sprach er nur von einem Thema: „Marktöffnung, Marktöffnung, Marktöffnung“, langweilte sich die 'Asahi Shinbun‘.

Dabei hat George Bush Glück, daß die Japaner ein so höfliches Volk sind. Wohl zu keiner Zeit seit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg hätten sie es sich besser leisten können, den US-Präsidenten mit Hohn und Spott außer Landes zu jagen. „Die Amerikaner haben uns doch nach dem Krieg die freie Marktwirtschaft beigebracht“, tönten gestern die marktschreierischen Rufe eines rechtsradikalen Bühnenredners über den City-Platz von Tokio-Shibuya. „Also sollen die Amerikaner nicht so faul sein und selber mehr arbeiten.“

Doch abseits der Ironie hielten sich die meisten japanischen Kommentatoren auffällig zurück; herablassende oder gar böswillige Worte ließen sich nur gelegentlich an den Stammtheken der Sushi-Bars vernehmen.

Pre-

mier-

minister Ki-

ichi Miyazawa

sprach deshalb nicht nur für seine Regierung, sondern für viele Japaner, als er alle Attacken aus den USA zur Seite schob und Versöhnlichkeit anstimmte: „Seit mehr als 40 Jahren“, predigte Miyazawa, „hat Japan von der Freundschaft mit den Vereinigten Staaten profitiert. Es ist nun wohl Zeit, daß wir uns dafür erkenntlich zeigen.“

Japanische Autoindustrie macht den Amerikanern Zugeständnisse

Beim Zusammentreffen der beiden Regierungchefs in Tokio ergänzte Miyazawa, er werde alles tun, „um den Vereinigten Staaten zu helfen“. Regierung und Geschäftswelt in Tokio hatten sich bereits vor dem Eintreffen Bushs geeinigt, alles daranzusetzen, damit der Besuch der US- Präsidenten nach einem Erfolg aussieht.

So verhandelten beide Seiten schon gestern nicht mehr über die Prinzipien ihrer Maßnahmen, sondern um Geld und nackte Zahlen. Fest steht nun, daß sich Japans Autohersteller zu millionenschweren Importeinkäufen aus den USA verpflichten werden, die das große Handelsdefizit der USA mit Japan abtragen sollen. Auch sehen sich Toyota, Nissan und Honda angehalten, eine festgelegte Zahl von US-Autos in ihren japanischen Läden zu verkaufen. Als Dankeschön kündigten General Motors und Ford gestern im Gegenzug an, erstmals Wagen mit dem Steuerrad auf der rechten Seite für den japanischen Rechtsverkehr zu liefern.

Auch hat die japanische Regierung ihre grundsätzliche Zustimmung für ihre Beteiligung an einem Milliarden-Forschungprojekt im George Bushs Heimatstaat Texas erklärt. Eine weitere, möglicherweise folgenschwere Übereinkunft sieht vor, die bilateralen Gespräche über „strukturelle Handelshemmnisse“ (SII), die erst vor einem Jahr erfolgreich abgeschlossen schienen, für eine zweite Runde wieder zu eröffnen. Washington will die Chance nutzen, um auf dieser Ebene die strukturellen Verbindungen zahlreicher japanischer Großunternehmen untereinander anzugreifen, die nach US-amerikanischer Auffassung einen freien Wettbewerb in Japan erschweren.

Die Handelsgespräche werden damit auch diesmal kein Ende nehmen. Zu einseitig stützen sich derzeit die Hoffnungen auf eine bessere Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen gegenüber der japanischen Konkurrenz auf die vage Perspektive des „managed trade“. Hierbei entscheiden nicht die Käufer, sondern die Regierungen über Handelskontingente. Gerade das Auftreten der „Großen Drei“, also der Chefmanager von General Motors, Ford und Chrysler in Tokio belegte das eindrücklich. Die Autobosse aus Detroit gaben sich nämlich nicht mit der Forderung nach Marktöffnung zufrieden. Statt dessen forderte General-Motors-Chef Robert Stempel eine pauschale „Handelsausgeglichenheit“.

Mitleid des kleinen David mit dem geschlagenen Goliath?

Der höchste amerikanische Motorengeneral glich dabei einem Feldherrn, der weiß, daß seine Schlacht verloren ist. „Wir müssen mit den Japanern konkurrieren“, beschwor Robert Stempel im japanischen Fernsehen die düsteren Zukunftsaussichten seiner Branche und leistete damit einen großen Offenbarungseid. General Motors, dem größten Konzern Amerikas, geht vor der japanischen Konkurrenz die Puste aus.

Und der Präsident der Vereinigten Staaten erleidet vor seinem japanischen Gegenüber, Kiichi Miyazawa, einen Schwächeanfall. Hilfsbereit beugte sich der kleine, schrumpelige Regierungschef über den gestürzten George Bush unter die Tischkante. War das schon David, der mit dem geschlagenen Goliath Mitleid bekommt?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen