■ URDRÜS WAHRE KOLUMNE: Gummis für die Bürgerschaft!
Ein nettes Erlebnis noch aus den letzten Zügen des vergangenen Jahres: Gummibehandschuhte Putzfrauen im Haus der Bürgerschaft wischen mit angsterfüllten Gesichtern Klinken und Treppengeländer mit einer Lösung, die nicht nur von ferne an den typischen Desinfektionsgeruch erinnern, der einst bei der Reichsbahn/ DDR für saubere Verhältnisse sorgte. Auf die Frage, ob hier Dekontaminationsmaßnahmen für einen ABC-Alarm geprobt würden, kommt die erhellende Antwort: „Gestern waren doch die Aidskranken hier“. Echte Aidskranke zur Eröffnung einer Ausstellung mit echten Bildern von ebensolchen. Den aufkommenden Brechreiz in geordnete Bahnen zu lenken, will der Chronist der Ereignisse die Herrentoilette aufsuchen, die aber per Hängeschild als „vorübergehend geschlossen“ gekennzeichnet ist. Noch während er nachsinnt, ob er unter diesen Umständen das Damenklo nutzen darf, kommt ein Bürgerschaftsbediensteter vorbei: „Könnse ruhig raufgehen, das hängt noch von gestern. Wir hatten doch diese Ausstellungseröffnung...“ Der Mensch, nicht wahr, ist gut — die Leute aber..!
Gelesen im Weihnachtsurlaub auf Usedom im Wolgaster Anzeiger: „Halberstädter Würstchen bekommen West-Chef / Doch der Geschmack soll der alte bleiben“. Abwarten und in Senf stecken!
Im Kulissenmagazin des Ernst Waldau-Theaters gibt es eine Rubrik „Kulissengeflüster“, die man natürlich angesichts der aktuellen Kriselei mit besonderem Interesse erwarten durfte. Doch Fehlanzeige — „Kulissengeflüster hebbt wi düttmol nich, dorum Snackkraam“. Und dort findet sich unter anderem dieses Sätzchen, das erste Ansätze zu selbstkritischer Reflexion vermuten lassen könnte: „Dat helpt för de Müüs“, sä de Buur, do steek he sien Schüün an!“ Eben...so isses wohl.
Liebe Senatorin Helga T., werter Staatsrat Schwandner, geehrter Sprecher Hoplitschek! Sie führen derzeit halbstündige Gespräche mit allen Mühseligen, Verunsicherten und Beladenen der hiesigen Kulturszenen. Da mir telefonisches Antichambrieren immer wieder atypisches Räuspern in den Sprechvorgang treibt, bitte ich Sie nunmehr auf diesem Wege, einen baldigen Termin auch für mich vorzuschlagen, wg. Volkstheater und so weiter. Ihre Antwort bitte an die GaDeWe, Reuterstr.9-17, z.Hd. UrDrü (Gesellschaft zur Theatralisierung des Alltagslebens / Text as Text can).
Allen, die es noch nicht bemerkt haben: Wir leben seit 1O Tagen im Jahre 1992. Weiterhin gilt — es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Viel Spaß dabei!
PS: Die erste Wette im Neuen Jahr gewonnen, der Eiswette und ihren leicht durchschaubaren Protagonisten sei Dank. „Wetten, daß die Narrendarsteller auch in diesem Jahr wieder über den weißen Strich kalauern können?“ habe ich meinen Freund Theo gefragt. „So blöd sind die nun auch nicht“ maulte Theo und hielt gegen. Doch auf Peter Kloess & Co kann man sich verlassen — die Pulle wird auf das Wohl der ehrenwerten Eisgenossen getrunken, Ehrensache!
Ulrich Reineking-Drügemöller
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