Gespannte Lage in besetzten Gebieten

■ Bei Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee wurden während der letzten Tage vier Palästinenser getötet/ Palästinensische Organisationen rufen zu Attentaten gegen Siedler auf

Tel Aviv/Berlin (taz/afp) — In den besetzten Gebieten sind die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern weitergegangen. Der vom UN-Sicherheitsrat verurteilte Beschluß, zwölf Palästinenser zu deportieren, hat in den letzten Tagen unter den Palästinensern zu Protesten, Demonstrationen und einer Zunahme militanter Aktionen gegen die Besatzung geführt. Vermehrte Einsätze des israelischen Militärs haben seit Ende letzter Woche vier Palästinensern das Leben gekostet. Auf beiden Seiten gab es außerdem zahlreiche Verletzte.

Den Siedlern wurde von der Regierung erlaubt, eigene Bürgerwehren zu gründen; letzte Woche gingen sie auch dazu über, eigene Grenzkontrollen an der „Grünen Linie“ durchzuführen. Palästinenser aus dem Gaza-Streifen, die zur Arbeit nach Israel fahren wollten, wurden nicht durchgelassen. Zu mehr Militanz rufen auch zwei der wichtigsten Organisationen der PLO auf: In der Westbank erschien vorgestern ein Kommunique von Habashs PFLP und Hawatmehs PDFLP, in dem zu Attentaten gegen israelische Siedler und Armeeangehörige aufgerufen wird. Die „palästinensischen Massen“ sollten am Tag der Wiederaufnahme der Nahostverhandlungen in Washington streiken und jeden weiteren Verhandlungstag zu einem „Tag der Wut“ machen; gegen die Besatzungsmacht und die Siedler würde dann täglich mit Brandbomben vorgegangen.

Mit ihrer Politik, die Nahostverhandlungen durch eine Beschleunigung der Landnahme und verschärfte Repression gegen die palästinensischen Bewohner von Westbank und Gazastreifen zu begleiten, hat die israelische Regierung die Spannungen in den besetzten Gebieten während der letzten Monate sukzessive erhöht. Amerikanische Politiker suchten immer wieder, mäßigend auf die israelische Regierung einzuwirken. Gestern warnte der US-Senator Phil Gramm (Texas) den israelischen Ministerpräsidenten: eine Fortsetzung der Siedlungspolitik könne dazu führen, daß Israel die geforderten Kreditgarantien von den USA nicht erhalte.

Der als „Israel-freundlich“ bekannte Politiker hält sich derzeit in Jerusalem auf, um mit Schamir und dem Präsidenten der israelischen Staatsbank Jakob Frenkel über die Bedingungen der Vergabe dieser Kredite zu verhandeln. Schamir läßt eine Verbindung der Kreditvergabe mit politischen Forderungen nicht gelten, da die Kredite der Integration sowjetisch-jüdischer Einwanderer, also humanitären Zwecken dienen sollten. Dem halten die USA jedoch seit langem die begründete Befürchtung entgegen, daß sowjetische Einwanderer auch in den besetzten Gebieten angesiedelt werden könnten. In Jerusalem hofft man trotz allem, wenigstens einen Teil der gewünschten Kreditgarantien zu erhalten, ohne politische Konzessionen machen zu müssen.

Ob und wie sich die geplante Deportation der zwölf Palästinenser auf die Nahostverhandlungen auswirken wird, ist immer noch ungewiß. Jedenfalls machte Hanan Aschrawi, die Sprecherin der palästinensischen Delegation, deutlich, daß das Thema Deportation für die arabischen Delegationen mit der scharfen UN-Resolution vom Montag noch nicht erledigt sei.

Immerhin scheinen zumindest die Konflikte über die Form der Verhandlung Israels mit der jordanisch- palästinensischen Delegation fürs erste beigelegt. Die Palästinenser hatten verlangt, daß ihre Vertreter nicht als Teil der jordanisch-palästinensischen Delegation, sondern eigenständig mit Israel verhandeln. Man hat sich nach Auskunft der Sprecherin der israelischen Botschaft in den USA darauf geeinigt, mit einer gemeinsamen Sitzung zu beginnen, um anschließend getrennt weiterzuverhandeln. Die neue Gesprächsrunde in Washington wird voraussichtlich am Sonntag oder Montag beginnen. A.W., N.C.