Transrapid - Krauses neuester Tiefflieger
: Totgesagteleben länger

■ Verkehrsminister Krause und Forschungsminister Riesenhuber stellten gestern ein Gutachten über die Serienreife des "fliegenden Zuges" vor. Die Testergebnisse für den...

Totgesagte leben länger Verkehrsminister Krause und Forschungsminister Riesenhuber stellten gestern ein Gutachten über die Serienreife des „fliegenden Zuges“ vor. Die Testergebnisse für den Magnetflieger sind zwar nicht überzeugend, dennoch befürworten die Minister eine Transrapid-Rennbahn zwischen Hamburg und Berlin

AUS BONN HERMANN-JOSEF TENHAGEN

Der Saal war gerammelt voll, als die Bundesminister Heinz Riesenhuber (CDU) und Günther Krause (CDU) ihre Frühjahrskampagne für den Transrapid einläuteten. Der „flüsternde Pfeil“, wie Riesenhuber den bei 400 Stundenkilometern immerhin mit Düsenjägerlärm dahinbrausenden Transrapid nennt, soll um jeden Preis im neuen Bundesverkehrswegeplan auftauchen. Gelingt dies nicht, kommt der Stelzenflitzer über die Probephase nicht hinaus, ist er womöglich sogar vom vorzeitigen Ende bedroht.

Ohne einen Platz im großen Plan rechnen sich die Befürworter des High-Tech-Spielzeugs keine realistische Chance aus, die Technologie zu exportieren. Als Markt für den „fliegenden Zug“ (Krause) gelten vor allem die USA, aber ohne deutsche Transrapidstrecken läuft das nicht. 1,6 Milliarden Mark hat der Forschungsminister für die Exportförderung bereits ausgegeben, rund 400 Millionen sollen noch folgen. Die Industrie mit Systemführer Thyssen Henschel an der Spitze will das Projekt bis 1995 mit mageren 146 Millionen Mark weiterführen.

Positive Nachrichten wie der Nachweis der Einsatzreife nach 100.000 Testkilometern werden also dringend gebraucht. So bescheinigten die Minister gestern in Bonn mit großem Brimborium, daß die Magnetschnellbahn „technisch voll einsatzreif“ sei. Von der Serienreife, für die rund 500.000 Testkilometer verlangt werden, ist der Transrapid trotz 24 Jahren Planung und Probezeit noch Lichtjahre entfernt.

Minister Riesenhuber hatte die Bundesbahn um eine Bewertung gebeten. Ein zunächst kluger Schachzug, galten doch die Bundesbahnexperten schon aus purem Eigeninteresse als harte Kritiker des Magnetsystems. Sie sahen darin immer eine Konkurrenz zum eigenen Projekt ICE. Doch mit der Amtsübernahme von Bundesverkehrsminister Krause und Bundesbahnchef Heinz Dürr ist bei der Bahn offenbar manches anders geworden.

Mit stolzgeschwellter Brust verkündete Magnetbahn-Pate Riesenhuber jedenfalls, das Bundesbahnzentralamt in München habe als Gutachter die „Einsatzreife des Transrapid uneingeschränkt bestätigt“. Seit dem vorläufigen Urteil im September, in dem noch eine Reihe von Kritikpunkten genannt worden seien, hätten die Bundesbahner und herangezogenen Professoren aus Braunschweig, Hannover, Berlin und Zürich die besonderen Gefährdungen durch Blitz- und Hagelschlag geprüft. Die Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme (MVP) habe zusätzliche Informationen zur Handhabung von Zwangsbremsungen und Notausstiegen vorgelegt. Jetzt sei alles o.k. Der Transrapid sei ein ökologisches und sicheres Gefährt, bei niedrigen Geschwindigkeiten sogar bedeutend leiser als der schnelle, aber laute Schienen- ICE, behauptete der Minister. Mit der Einsatzreife seien endlich „die Voraussetzungen für ein Planfeststellungsverfahren und ein Raumordnungsverfahren gegeben“.

Am liebsten, so ergänzte ihn sein Kollege Krause, würde man ja schon bald einen Streckenabschnitt zwischen Hamburg und Berlin in Angriff nehmen. In den neuen Ländern gelte das gerade verabschiedete Beschleunigungsgesetz natürlich auch für den Transrapid. Gelänge es mit Hilfe des Beschleunigungsgesetzes, die Trasse in kurzer Zeit zu bauen, könnten sogar „die Fahrten zur Erprobung bis zur Serienreife auf der Neubaustrecke“ erfolgen.

Das Gutachten läßt viele Fragen offen

Doch allzu offensichtlich war der Wunsch der Minister hier der Vater des Gedankens. Viele Probleme konnten bei den Tests nur auf dem Papier geklärt werden. So gibt es auf der Transrapid-Teststrecke im Emsland keinen Tunnel und keinen Gegenverkehr. Die Frage der Druckwelle bei Zugbegegnungen und im Tunnel mußte also ganz einfach per Analogieschluß aus Testergebnissen des ICE geklärt werden. Die Gutachter drücken es vornehm aus: „Im Hinblick auf die Anwendung müssen die prognostizierten Werte durch Messungen abgesichert werden.“

Ob das Zwangsbremssystem tatsächlich funktioniert, konnte ebenfalls nicht in der Praxis erprobt werden. Die erst 1984 fertiggestellte Teststrecke lag wegen technischer Defekte und brüchigen Mörtels an den Betonstelzen lange still. Auch in der heißen Phase vor dem Abschluß der Gutachten Ende November konnte die Strecke immer nur in Teilabschnitten befahren werden. Das Gutachten spricht hier von „größeren Betriebseinschränkungen“.

Für Experimente mit Seitenwind hatte man auf der Teststrecke im Emsland extra eine Wand errichtet. Die Ergebnisse waren aber offenbar nicht überzeugend. Jedenfalls zieht sich das Gutachten auf Analogieschlüsse mit Eisenbahn- und Straßenbrücken zurück. MVP-Geschäftsführer Fritz Polifka dazu: „Wir sind im Emsland darauf angewiesen, daß wir einen Kuhwind aus Westen bekommen, an dem hat es aber gefehlt.“ Auch die Wintertauglichkeit habe nicht wirklich getestet werden können. „Einen richtigen Winter haben wir einfach nicht gehabt“, stöhnt Polifka.

Die Minister machten vor der Presse gestern zwar viel Lärm um die positiven Eigenschaften des Magnetfliegers, zu der Frage nach den Lärmwerten nannte Riesenhuber aber keine konkreten Zahlen. Selbst Systemführer Thyssen Henschel gesteht ein, daß der Transrapid bei Geschwindigkeiten um 400 Kilmeter pro Stunde rund 95 dezibel Lärm macht — fast so laut wie ein Tiefflieger. Bei solchen Geschwindigkeiten macht der Fahrtwind den Hauptteil des Lärms aus. Der Krach des Transrapid ist ein besonders schwieriges Problem, da die billigste Version der Bau auf Stelzen wäre. Ein Lärmschutz wäre dann fast nicht möglich. Bei 95 dezibel würden die von Riesenhuber bemühten Kühe im Emsland nicht einmal mehr in der Nähe der Trasse, geschweige denn darunter weiden.

Das Bundesforschungsministerium hatte bei der Bestätigung der Einsatzreife auch verlangt, daß „alle Investitionskosten... zum Beurteilungszeitpunkt mit hinreichender Sicherheit vorausberechnet werden können“. Von 7,5 Milliarden Mark sprach Riesenhuber beispielsweise für die ins Auge gefaßte Strecke von Hamburg nach Berlin. Doch Verkehrsminister Krause war schon gestern vorsichtiger: „Es ist eine Binsenweisheit, daß es bei diesen Kosten nicht bleiben wird. Das ist ja eine neue Technologie.“ Verkehrswissenschaftler Helmut Holzapfel aus Dortmund formuliert drastischer: „Das sprengt alle Dimensionen. Ich rechne mit einer Verdreifachung der Kosten.“

Offen blieb, wie es im Verkehrsministerium und bei der Bundesbahn zum Sinneswandel der Beamten kam. 1988, als das Forschungsministerium das Gutachten in Auftrag gab, galt die Bundesbahn wie gesagt als guter und kritischer Gutachter für den Transrapid, weil sie ihm aus naheliegenden Gründen skeptisch gegenüberstand. Jetzt, bei der Präsentation des Gutachtens, sitzt Bundesbahnchef Heinz Dürr zwischen den Ministern und meldet seinen Anspruch als Betreiber der Magnetbahn an. „Wir als Reichsbahn und Bundesbahn werden uns um den Betrieb der Magnetbahn bewerben.“