■ Kein Gerücht
: Der blasse Ditmar kommt

Der blasse Ditmar kommt

Der berühmteste Sozi der Stadt war nicht dabei, als SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt am Donnerstag abend zum Neujahrsempfang einlud. Angeblich wegen eines Zahnarzttermins fehlte Parteichef Walter Momper, und so konnte sich der Fraktionsvorsitzende unangefochten im Glanz seiner neuen Rolle als Ober- Sozi sonnen. Er darf sich darüber freuen, daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen bei Staffelts Anblick zunehmend nervös wird.

In den Schubladen der Senatskanzlei schmoren bereits Umfrageergebnisse, in denen Diepgens Popularität mit dem Ansehen von Staffelt verglichen wird. Diepgen schneidet dort zwar durchweg besser ab als Staffelt. Doch der SPD-Mann darf sich trösten: Angesichts des viel größeren Bekanntheitsgrades des Regierenden Bürgermeisters ist diese Beliebtheitslücke kein Grund zur Beunruhigung.

Wie ängstlich der Regierende Bürgermeister schon ist, zeigte sich am Dienstag auf einer Podiumsdiskussion, bei der Diepgen und Staffelt an einem Tisch saßen. »Selbst in Gegenwart eines so mächtigen Mannes wie eines Fraktionschefs«, hob Diepgen an, »muß ich betonen, daß es die Exekutive ist, die die Entscheidungen trifft.«

Solche Selbstverständlichkeiten müßte der Regiermeister nicht eigens betonen, wenn es wirklich Selbstverständlichkeiten wären. Angesichts der Vielzahl von Entscheidungen, die die Fraktionen in den letzten Wochen dem Senat aus der Hand genommen hatten, verwundert es nicht, daß Diepgen auch in vertraulicher Senatsrunde immer wieder die Mahnung hören läßt, daß »jetzt die Exekutive ihre Auffassung formulieren muß«. »Leider«, so berichten Mitglieder der Senatorenrunde, »wird Diepgen dabei kaum noch ernst genommen

Begleitet wird der Wettbewerb zwischen Diepgen und Staffelt von einem Wandel durch Annäherung. Als kritischer Beobachter entpuppte sich auf Staffelts Empfang Siegfried Nagel, der jüngere Bruder von Bausenator Wolfgang Nagel. »Siggi«, wie sich der mit Hippiehaarpracht geschmückte Nagel-Bruder nennen läßt, ließ an Staffelts Redekünsten kein gutes Haar. Nachdem sich der SPD-Fraktionschef in einer eher länglichen als launigen Ansprache über so mitreißende Themen wie die Verwaltungsreform ausgelassen hatte, mäkelte Siggi Nagel: »Der redet schon genauso salbungsvoll wie Diepgen.«Hans-Martin Tillack