WIE — WAS — AUS BERLIN? Von Philippe André

Es könnte alles so schön sein. Weltweit gilt Berlin noch immer als Inn-City. Der Vereinigungsbonus wirkt fort. Und mit den EG-Entscheidungen vom letzten Jahr zieht es doch wirklich alles, was Geld hat in Europa, nach Berlin. Auch der Senat müht sich nach Kräften. Die besten Grundstücke hat er gleich mal verkauft, anstatt sie zum Wohle des Stadtsäckels zu verpachten. Für Olympia hat er sich stark gemacht und den Posten des neuen Chefs mit spendablen 330.000 Jahressalair dotiert. Damit auch wirklich nichts schiefgeht! Für den überflüssigen Friedrichstadtpalast macht er 21 Millionen locker während das „Intime Theater“ in Kreuzberg keinen Pfennig sieht und vor dem Aus steht. Aber auch Wolfgang Scholz, Chef der Berliner Feuerwehr, resigniert mittlerweile öffentlich: „Wir hatten russische Gäste. Die sagten, wir seien ihrer Computertechnik zehn Jahre hinterher“. Er klärt die Bevölkerung darüber auf, „daß nicht nur an Sylvester alle Rettungswagen gleichzeitig unterwegs sind“. Zur selben Zeit denken Westberliner Abgeordnete über eine diskrete Erhöhung ihrer Diäten nach.

Auch im Westteil der Stadt übrigens ist das Telefonieren heute nicht mehr so einfach. Das weiß man auch schon in den alten Ländern: „Woher rufen Sie an?“, hieß es kürzlich in einer westdeutschen TV-Show. „Was — wie — aus Berlin? Schön, daß das noch geklappt hat.“

Überhaupt: ganz unmerklich hat sich das Verhältnis der Wessis zu uns Berlinern abgekühlt. Der frontstadtbedingte Mitleidseffekt ist weg. Bei Westreisen gewinnt man allmählich den Eindruck, für einen Gastarbeiter in einem fernen Land gehalten zu werden, der auf seinen Heimatbesuchen nie was mitbringt. Außer einem arrogant inszenierten Kulturschock vielleicht und ein paar brutalen Hinweisen darauf, daß die bisherige Hauptstadthilfe der Wessis nichts weiter als ein Tropfen in einem Meer heißer grauer Steine war. Natürlich hüte ich mich davor, die Zahlungsmoral unserer helfenden Mitbürger im Westen vollends zu untergraben. Kein Wort wird über meine Lippen kommen bezüglich des Projektes „Polizeistadt“, das hier gerade diskutiert wird. Im Koalitionsentwurf für ein neues Berliner Polizeigesetz sollen Geheimpolizisten hier künftig wie Fische im Wasser schwimmen, Rund-um-die-Uhr-Observationen aller „Verdächtigen“ oder deren „Verbindungsleute“ vornehmen und ihre Wanzen quasi überall plazieren können. Immer vorausgesetzt natürlich, es handle sich um „Straftaten von erheblicher Bedeutung“. Was auch immer das heißen mag. Gegner befürchten eine „drohende Verfilzung von Polizei und Verbrechern“, bis hin zu „mafiaähnlichen Strukturen“. Aber nicht am Ku'damm! Dort wird jetzt erwogen, Schwarze Sheriffs loszulassen, damit man künftig wieder — hütchenspieler- und vandalenentsorgt — shoppen kann. Und wenn dann das Tunnelknäuel unterm Tiergarten fertig ist, fünf Riesendinger sollen es werden, dann nehmen wir natürlich weiße Sheriffs. Und Daimler spendiert die Sterne. Wird das schön!