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Leuchtfeuer und Leitstrahl

Drei Männer auf den Spuren von Lya de Putti, der beliebtesten Filmdiva von 1924  ■ Von Daniela Reintsch

Lya de Putti — ein Name wie erfunden. Aber sie hieß wirklich so. Mit 20 verließ sie in Ungarn ihren Mann, der daraufhin ein Scheinbegräbnis veranstaltete und die beiden Töchter das Grab pflegen ließ. 1924 war sie Deutschlands beliebtester Stummfilmstar. Mit 32 starb sie in New York an einem steckengebliebenen Knochen in der Kehle, als sie einen Hungerstreik aus Liebe nicht durchhielt und ein Hühnerbein herunterschlang — ein Leben wie erfunden. Aber es war wirklich so. 60 Jahre später sind drei Männer obsessiv ihrem Leben auf der Spur: Peter Herzog, ein jüdisch- jugoslawisch-ungarisch-israelisch- italienisch-amerikanischer Fotograf aus New York; Albert J. Guerard, ein amerikanischer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller aus Kalifornien; und Johannes Zeilinger, ein deutscher Chirurg aus Berlin. Sie begegneten sich, weil sie in verschiedenen Teilen der Welt nach den Spuren der Lya de Putti suchten — eine Geschichte wie erfunden. Aber sie ist wirklich so passiert. Für alle drei Männer ist Lya de Putti Muse und Medium auf ihrer Suche nach einer verlorenen Zeit.

Die Obsession

Johannes Zeilinger, 43, wohnt im bayerischen Viertel in Berlin. „Jüdische Schweiz“ hieß diese Gegend einmal, und es lebten Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Gisèle Freund, Claire Waldorf, Billy Wilder, Egon Erwin Kisch und viele andere berühmte Wissenschaftler, Künstler und Literaten in den Straßen ringsherum. Und es wohnte auch Lya de Putti hier. Möbliert, in einer Pension in der Haberlandstraße 13 im Hochparterre — in jener Wohnung, die heute arisiert Treuchtlinger Straße 1 heißt und die Johannes Zeilinger vor ein paar Jahren für sich und seine Familie gekauft hat. Vom Balkon dieser Wohnung fiel Lya de Putti 1924 aus ungeklärten Gründen in den Dezemberschnee. Die Journaille stürzte sich begeistert auf den neuesten Skandal der exzentrischen Primadonna des Films. Noch heute pilgern gelegentlich alte Damen zu dem Haus und tuscheln sich zu: Das muß der Balkon gewesen sein...

Der Chirurg ist verheiratet mit einer Ärztin und Vater von zwei Kindern. Ein sympathischer Mann, den man sofort als Hausarzt engagieren möchte. Meistens arbeitet er bis spät abends in der Praxis, aber ein „Workoholic“ ist er dann doch nicht; letztes Jahr beispielsweise verzog er sich für drei Monate mit Familie und Computer ins eigene Haus nach Zypern. Typischer kann das Klischee eines erfolgreichen Arztes kaum sein — wäre da nicht Lya de Putti und die „archäologische Obsession“. Sein Arbeitszimmer ist voller Bilder, Fotos, Bildbände, Bücher und Aktenordner über den Stummfilm und seinen größten Star Mitte der zwanziger Jahre.

Vor rund acht Jahren fing er an, nach Lebenszeichen seiner Vormieterin zu suchen, deren Berühmtheit damals mindestens ebenso groß war wie ihre Vergessenheit heute. Er forschte und fragte auf Flohmärkten, bei Trödlern, in Antiquariaten nach allem, was er finden konnte — Postkarten, alten Programmen, Autogrammkarten, Fotos. An seinem dienstäglichen freien Vormittag durchstreifte er Archive, Bibliotheken, die Akademie der Künste, das Landesarchiv, die Kinemathek. In den einschlägigen Sammler- und Händlerkreisen der Stadt ist er inzwischen bekannt und fast schon selbst eine Legende. Als er einmal einen Händler ansprach, den er nie zuvor gesehen hatte, beschied der ihm lautstark: „Nein, von Lya de Putti gibt es gar nichts mehr.“ Und dann vertraulich: „Wissen Sie, es gibt da einen Arzt, der sammelt alles über sie, und dem habe ich alles verkauft.“

Auch für Johannes Zeilinger war Lya de Putti am Anfang nicht viel mehr als „so 'ne Skandalnudel, ein verrückter Star aus den Zwanzigern, der wie üblich Kokain geschnupft und zu Hause nackt getanzt hat, auf die Polizei geführt wurde aus Spielklubs und besoffen zu den Dreharbeiten kam“. In den wenigen Filmlexika, die ihren Namen überhaupt erwähnen, wird sie als „Vamp des deutschen Stummfilms“ bezeichnet, „schön, dumm, schlangenhaft und wollüstig“, eine amerikanische Publikation nannte sie 1921 sogar „The Vamp of Berlin“. „Ein dümmliches Klischee, leider“, findet Zeilinger, „das nach Durchsicht ihrer Filme gar nicht haltbar ist und ihrer Popularität keineswegs gerecht wird.“ Tatsächlich wurde sie nach einer Umfrage der Zeitschrift 'Neue Illustrierte Filmwoche‘ 1924 zum beliebtesten Filmstar gewählt, weit vor Henny Porten, Lil Dagover und Asta Nielson. Lya de Putti war das Vorbild der Sally Bowles in Cabaret. Und tatsächlich spielte sie nicht nur in schlechten und mittelmäßigen Filmen: Manon Lescaut und Varieté wurden zu Klassikern des Stummfilms, sie spielte in Deutschland unter der Regie von F.W. Murnau und Erich Pommer, an der Seite von Emil Jannings und — unter ferner liefen — Anita Berber und Marlene Dietrich. „Es waren zunächst die Sensationen ihres Lebens, Kaprizen einer Divaexistenz, die ihr diesen Ruf eintrugen“, schreibt er, für ihn ist sie „mehr Opfer als Täterin, verspielt laszive Kindfrau eher als männermordendes Ungeheuer“. Und Heldin — das Idol der Dienstmädchen, „wenn sie mit wehenden Haaren und blitzenden Augen als Gräfin Soundso durch die Puszta reitet und die Männer ihr rechts und links zu Füßen sinken“.

Johannes Zeilinger fand Texte von ihr, die sie als kluge Analytikerin des Filmgeschäfts zeigen. Er trieb betagte Freunde und vergilbte Zeugnisse auf, die sie als generöse, hilfsbereite, herzliche, verletzliche Freundin beschreiben. Ein „archäologisches Puzzle“ hat er deshalb die Biografie über Lya de Putti genannt, die er in bescheidener Auflage in einem kleinen österreichischen Verlag kürzlich herausgegeben hat. Ein vergessenes Leben heißt das Buch im Untertitel, „ein vergessener Mythos“ erschien ihm in letzter Minute zu pompös. „Das Suchen ist eine Obsession — nicht die Frau“, meint er. Wäre es nur nach ihm gegangen, hätte er noch Jahre weitergesucht, und jetzt, da die Biografie geschrieben ist, fühlt er „eine Art postkoitaler Tristesse“. Aus einem Klischee eine Persönlichkeit machen — Rekonstruktion eines Lebens zur Konstruktion eines Menschen — daß ausgerechnet ein Arzt so etwas betreibt, hat ja durchaus eine innere Logik und ist längst nicht so absurd, wie es manche Angestellte in Filmarchiven mit einem abfälligen Lächeln glauben machen wollten.

Die Manie

Peter Herzog war auf der Suche nach Lya de Putti zum ersten Mal in seinem Leben nach Berlin gereist. Es hatte den inzwischen 62 Jahre alten Juden viel Überwindung gekostet, sich in das Zentrum des Bösen zu wagen. Obwohl sie hier ihre größten Erfolge gefeiert hatte, fand er nichts, die Stadt war wie abgegrast. Irgendein Händler gab ihm schließlich Adresse und Telefonnummer von Johannes Zeilinger. Zurück in New York klingelte er ihn nachts um drei aus dem Bett: „Ich muß Sie sprechen, unbedingt.“

Johannes Zeilinger hat die Biografie von Peter Herzog in das Buch aufgenommen. „Von Bertrand Russel stammt die Bemerkung, die Sterne seien im Gehirn des Menschen. In jedem Kopf aber ist diese Vorstellung verschieden, so kann also wiederum eine Summe von Köpfen mehr über eine Person erzählen, als ein einzelner das vermöchte“, leitet er die beiden Biografien von Herzog und Guerard ein. Und so viel Peter Herzog und Albert J. Guerard auch über den Stern Lya de Putti erzählen — sie erzählen mit jedem Detail auch über sich, über ihre „Sterne im Gehirn“ und im Herzen.

Peter Herzog wuchs in einem reichen, jüdischen Elternhaus in Groß- Beckerek in Jugoslawien auf. In der Familie wurde deutsch, ungarisch und serbokroatisch gesprochen. Es gab ein Dienstmädchen, und, in ihre Arme gekuschelt, sah der kleine Junge zum ersten Mal die Fotos der Lya de Putti in den bunten Filmzeitschriften. Die sorglose Kindheit währte jedoch nur kurz: Die Familie floh vor den Nazis nach Budapest. Ein für ihn lebenslang unfaßbarer Glücksfall rettete ihn 1944 durch den Einsatz von Raoul Wallenberg vor der Deportation nach Auschwitz. Nach Kriegsende schlug sich der 15jährige allein in den Heimatort durch. Das Elternhaus war verwüstet, das Kindermädchen alt und fern, „keine Spur mehr der erinnerten Wärme, nur einige vergilbte und abgegriffene Hefte hat sie bewahrt, auf einem Titelbild sieht er ein lockenumrahmtes Gesicht mit einem gemalten Herzen auf den Lippen“ — Lya de Putti.

In Belgrad begann Peter Herzog eine Lehre als Fotograf, in Jerusalem arbeitete er in der Universitätsklinik, in Tel Aviv gründete er ein eigenes Porträtstudio. Er wurde berühmt, fotografierte für Zeitungen und Modejournale. Bis er eines Tages durchdrehte: Er verbrannte alle Negative, verkaufte das Studio und schwor, nie wieder eine Kamera in die Hand zu nehmen. Dann ging er nach Italien. Die Lebensart dort entspannte ihn in den ersten Jahren, und er fotografierte wieder, sogar mit Erfolg, doch auch dieses Land verließ er eines Tages. Einen letzten Neuanfang versuchte er mit 50 Jahren in New York. Die Leicas rührte er endgültig nicht mehr an, und er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Er war ausgebrannt, am Ende. „Und da trifft ihn wie ein Blitzstrahl... ein kleiner Absatz in einem Buch, eine Randnotiz eben..., und als er dann noch ein Foto von Lya de Putti entdeckt, glaubt er, sie schon immer gekannt zu haben, mehr noch, die Inkarnation all seiner Träume von Schönheit und Geborgenheit in diesem Gesicht zu sehen. Wie eine meterhohe Fontäne sprudeln Erinnerungen, Gefühle und Bilder in sein Bewußtsein, noch wirr und scheinbar zusammenhanglos, lassen ihn sein Selbstmitleid vergessen, und er macht sich auf, ihr Schicksal zu erforschen. Je mehr Mosaiksteine er zusammenklaubt, desto mehr brechen Krusten und Vernarbungen in seinem Inneren auf. Er beginnt mit dem Tod und kehrt zurück ins helle Leben“, schreibt Zeilinger.

Seit diesem Erlebnis betreibt Peter Herzog die Suche nach Spuren von Lya de Putti mit aller Zeit, Kraft, Fantasie, Leidenschaft und mit all seinem Geld. „Peter Herzog is a man in love“, schrieb eine israelische Zeitschrift letztes Jahr über ihn. „Er lebt in einem kleinen Apartment, in

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dem alle Wände mit den Fotos seiner Geliebten bedeckt sind. Nur ein schmaler Pfad führt vom Eingang zu seinem Zimmer, das gefüllt ist mit allen Arten von Souvenirs seiner Geliebten. Der Raum sieht aus wie eine Weihestätte für eine Frau: Lya de Putti.“ Herzog reiste zu den greisen Töchtern nach Toronto und klingelte mit einem Blumenstrauß an ihrer Tür. Er setzt 60 Jahre nach ihrem Tod einen Privatdetektiv auf ihren letzten Geliebten an, um herauszubekommen, warum sie ihn, die Liebe ihres Lebens, nicht heiraten durfte. „Bei ihm ist es eine Manie“, sagt Johannes Zeilinger. Die beiden Männer sind inzwischen Freunde geworden und haben sich auch gegenseitig schon besucht. In Berlin und New York unternahmen sie „sentimental journeys“ zu den Orten, wo Lya de Putti lebte, liebte und starb. Gemeinsam suchten sie in Berlin auch den Biografen von Anita Berber auf, da Peter Herzog sich unerbittlich in den Kopf gesetzt hatte, daß eine Putti- Biografie geschrieben werden müßte. Aber Johannes Zeilinger konnte sich mit dem Plan nicht anfreunden — und entschloß sich schließlich, das Buch selbst zu schreiben. Genug Informationen, Bilder und Hintergrundwissen hatte er inzwischen allemal — und Peter Herzog im Rücken, der ihn telefonisch ständig antrieb. Jetzt soll das Buch sofort ins Englische übersetzt werden.

Für Peter Herzog ist es existentiell, daß Lya de Putti dem Vergessen entrissen wird. In ihrem Gesicht fand er seine Kindheit wieder, in ihrem Schicksal sein Leben. „In ihre Suche nach Erfolg sieht er eigene Ambitionen widergespiegelt, in ihrem endgültigen Sturz in die Bedeutungslosigkeit gar sein Zwillingsschicksal, er findet Parallelen zu allem, was ihn je bewegt hat, Verständndis für ihre Zerrissenheit und damit einen Zugang zur eigenen Chaotik“, schreibt Zeilinger. Ist es Zufall, daß er Fotograf wurde, Porträtfotograf? Hat er vielleicht sein ganzes Leben lang in allen Gesichtern ein Gesicht gesucht und nicht gefunden bis zu jenem Tag in New York? Wie kann eine Notiz, ein Foto, nach mehr als 50 Jahren eine solche Lawine an Leidenschaft auslösen?

Die Begegnung

Albert J. Guerard ist Lya de Putti persönlich begegnet, 1925 in Davos, im Hotel National. Der heute 78jährige war zwölf, sie nach seiner kindlichen Einschätzung 17, er verliebte sich augenblicklich und unsterblich in sie. Strahlend schön, im weißen Kleid und in silbernen Slippern, erschien sie ihm noch Jahrzehnte später wie eine mädchenhafte, reine Göttin: „unchanged, untouched, unspoiled“. Bereits die erste Kurzgeschichte an der Universität, die seine Karriere als Schriftsteller begründete, trug den Titel Winter in Davos. Guerard war Professor für Anglistik in Harvard, schrieb analytische Werke über Joseph Conrad, André Gide, Dickens, Dostojewski und Faulkner — und Romane und Essays über Lya de Putti. In immer wieder neuen Variationen versuchte er literarisch jene Begegnung zu verarbeiten, die ihn unbeschreiblich in den Bann gezogen hatte. Von Roman zu Roman veränderte er Namen, Orte und Alter seiner Figuren. Der Mann wurde immer älter, die Frau immer jünger, und einmal machte er aus den beiden tatsächlich ein — unglückliches — Paar. Noch in seinem letzten Roman aus dem Jahr 1985 taucht Lya de Putti auf. Mit den Jahren und den Romanen wurde Albert J. Guerard sich darüber klar, in welchem Ausmaß die Begegnung ödipale Züge trug. Die Erkenntnis änderte nichts an der Faszination: Lya de Putti war und ist „Leuchtfeuer und Leitstrahl seines literarischen Werkes“, sagt Zeilinger.

Dabei hatte Guerard erst 1968 zufällig erfahren, wie berühmt seine „Davoser Fee“ damals schon war — und wie lasterhaft. Vorsichtig wagte er sich an ihr wahres Leben heran, voller Angst, der Zauber könne sich verflüchtigen. Aber „je mehr er forscht, desto williger akzeptiert er die reale Gestalt, enthält sie doch mehr Material für neue Mythen, als er jemals ahnte.“ So fing auch er an, nach den Spuren ihres realen Lebens zu suchen, sah ihre Filme im Museum of Modern Arts und in der Library of Congress, durchforstete das Archiv der Hoover Institution, ließ Nachforschungen in Budapest und Bukarest anstellen und gab in einer ungarisch-amerikanischen Zeitschrift eine Anzeige auf: „Wer weiß etwas über Lya de Putti?“ Es meldeten sich die beiden Töchter aus Toronto.

Peter Herzog fand erst Albert J. Guerards Essays und Romane, dann traf er ihn. Johannes Zeilinger hat den hochbetagten Wissenschaftler und Schriftsteller noch nicht besuchen können, aber er ist herzlich eingeladen, endlich nach Stanford zu kommen.

Die Erlösung

The Touch of Time — Myth, Memory and the Self nannte Albert J. Guerard 1972 einen seiner Essays über Lya de Putti und sich. Berührung der Zeit — im Vorwort seiner Biografie über Lya de Putti versinkt Johannes Zeilinger träumend in der verlorenen Zeit: „Ich warte, will mir gerade eine neue Wenesti anzünden, da höre ich ein Auto kommen... vorne am Brunnen biegt eine schwarze Limousine in die Straße ein, sicherlich muß es ein Horch mit sechs Zylindern oder ein Daimler mit Kompressor sein, ich rutsche mit dem Stuhl zur Brüstung, stehe auf, um keine Sekunde ihrer Gegenwart zu versäumen. Der Wagen hält unten vor dem Vorgarten, ein Chauffeur steigt aus, öffnet die hintere Autotür, verharrt in einer leichten Verbeugung, und dann sehe ich zunächst ihre Beine, dann ihre schwarzen Locken... sie stützt sich an der Schulter des Fahrers und wirft in einer ihr unwiderstehlichen Standardgesten den Kopf etwas nach hinten; soweit ich sehen kann, keine Ringe unter den Augen, das Make-up fast perfekt noch, ohne verräterischen Hinweis, wo oder wie sie die Nacht verbracht haben mag, in einem Spielklub in der Rankestraße, in einem Bett des Hotels Adlon oder einer Grunewaldvilla. Die Pelzjacke ist über den Schultern leicht verruscht... aber wie sie in einer schnellen Bewegung ihren Oberköper noch einmal zum wartenden Chauffeur dreht, die Finger zu den Lippen führt und — immer noch unter Lachen — aus dem Handgelenk einen Kuß in Richtung schwarzer Limousine hinschlenkert, dann mit fünf, sechs schnellen Schritten im Haus verschwindet, da ahne ich etwas von den Verlockungen, den Sehnsüchten, die dieser Arm hier auf der Leinwand aufrühren kann.“

„Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung“, sagt eine Talmud- Weisheit. Und die Psychoanalyse. Drei Männer aus drei Generationen und zwei Kontinenten graben in der Vergangenheit einer Toten, und ihre Gegenwart füllt sich mit erregtem Leben. Aber warum führt zu all den schweren Worten, Weisheiten ausgerechnet eine so leichtfüßige kleine Person wie Lya de Putti? Johannes Zeilinger, Peter Herzog und Albert J. Guerard — jeder gibt eine andere Antwort. Wer weiß, vielleicht spielt es eine Rolle, daß sie schon tot war, bevor alles anfing. 1919 begraben, sechs schwarze Pferde sollen den leeren Sarg gezogen haben und Millionen Blumen die Familiengruft geschmückt. Und wer weiß eigentlich so genau, ob Lya de Putti wirklich gestorben ist am 27. November 1931 und nicht auch das zweite Begräbnis wieder nur eine Inszenierung war? Sind die Sterne nicht unsterblich?

Johannes Zeilinger, Lya de Putti. Ein vergessenes Leben . Karolinger Verlag, Wien und Leipzig 1991, 140 Seiten mit Abbildungen, broschiert, 34 Mark.

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