50.000 rote Nelken für Rosa und Karl

■ Unerwartet hoher Zustrom zur traditionellen Kundgebung am Todestag von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht/ Kränze von der PDS und den Jusos

Berlin. Vorwärts und nicht vergessen — 50.000 Menschen kamen gestern vormittag zu der traditionellen Kundgebung zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Drei Stunden lang strömten trotz des unfreundlichen, windigen Nieselwetters Ost- aber auch einige Westberliner zu der Gedenkstätte für die beiden am 15.Januar 1919 ermordeten Sozialisten. Diejenigen, die aus der nahegelegenen U-Bahn kamen, mußten sich regelrecht anstellen, um an das Grab zu gelangen. Viele Menschen legten rote Rosen oder Nelken nieder oder zündeten Kerzen an. Während einigen der Älteren die Tränen der Rührung in den Augen standen, schwenkten viele junge Kundgebungsteilnehmer Fahnen der DDR oder der FDJ. Auch einige linke politische Gruppierungen, etwa wie der MSB Spartacus oder die Jusos, nahmen an der Kundgebung teil. Die Jungsozialisten wie auch die Mitveranstalterin PDS spendeten je einen Kranz. Über einen Lautsprecherwagen wurde klassische Musik übertragen, am Rande der Kundgebung verkauften fliegende Händler — etwas weniger pietätvoll — Bücher von Stalin.

Zuvor hatte es einen Gedenkzug vom Lenindenkmal die Frankfurter Allee hinunter bis zur Gedenkstätte auf dem Friedhof gegeben, an dem aber nur 4.000 Menschen unter dem Motto »Nein zu Fremdenhaß! Gegen deutsches Großmachtstreben!« teilnahmen. Auf einem Wagen wurden Teile des sich in Demontage befindenlichen Lenin-Denkmals mitgeführt. Sowohl die Polizei wie auch die PDS betonten anschließend, die Kundgebung sei völlig friedlich verlaufen. Die Polizei war nur in den Seitenstraßen präsent.

Die Kundgebung zum Todestag von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die stets am zweiten Sonntag im Januar stattfindet, war zu DDR- Zeiten von Staats- und Parteiführung angeführt worden. Die Tradition reicht aber zurück bis in die Weimarer Republik. Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe hatte schon 1926 im Zentralfriedhof Friedrichsfelde ein Denkmal für die beiden dort begrabenen Sozialisten entworfen. Das Denkmal war 1935 von den Nazis zerstört worden. Die Grabsteine blieben jedoch erhalten und stehen heute im Zeughaus Unter den Linden. Das Grab wird heute von einer provisorischen Gedenktafel geschmückt.

Die Demonstration war 1988 unerwartet in negative Schlagzeilen geraten. Damals hatten DDR-Oppositionelle ein Transparent mit dem Luxemburg-Spruch mit sich geführt: »Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden«. Die Demonstranten waren von der Staatssicherheit auseinandergeprügelt und festgenommen worden. Im letzten Jahr hatte sich trotzdem die überraschend hohe Zahl von 100.000 Menschen zur Kundgebung zusammengefunden. esch/dpa