Zwei Völker, die einander völlig fremd sind

■ Umfrage: Die Grundeinstellungen von Deutschen und Israelis sind gegenläufig: Deutsche fordern Schlußstrich unter die Vergangenheit/ „Juden sind an Verfolgung mitschuldig“/ Israelis skeptisch gegenüber Versöhnung

Hamburg (dpa) — Fünf Jahrzehnte nach der Vernichtung der Juden in den Gaskammern von Auschwitz ist für viele Israelis eine Versöhnung mit Deutschland nicht vorstellbar. Ihnen sind die Bundesbürger zudem genauso unsympathisch wie die Palästinenser. Die Deutschen ihrerseits wollen zwar mehrheitlich einen Schlußstrich unter die Vergangenheit ziehen, doch meinen 32 Prozent von ihnen, „die Juden sind mitschuldig, wenn sie gehaßt und verfolgt werden“.

Das ergab eine Umfrage des Hamburger Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel‘ in Deutschland und Israel wenige Wochen vor dem 50.Jahrestag der berüchtigten Wannsee-Konferenz, auf der am 20. Januar 1942 die Ausrottung der Juden in Europa beschlossen wurde.

Im Auftrag des 'Spiegel‘ erforschten Mitarbeiter des Emnid-Instituts in Deutschland und des Tel Aviver Gallup-Instituts in Israel, was Deutsche und Juden eine halbes Jahrhundert nach dem Völkermord an den Juden noch immer trennt. Befragt wurden 2.000 West- und 1.000 Ostdeutsche, repräsentativ für 60 Millionen erwachsene Bundesbürger, und 1.000 Juden, repräsentativ für 83 Prozent der 4,1 Millionen Erwachsenen des Staates Israel (17 Prozent sind Araber). Wesentliches Ergebnis der Untersuchung laut 'Spiegel‘: Auch 50 Jahre nach der Wannsee-Konferenz passen die Grundeinstellungen von Deutschen und Juden nicht zusammen. Zwar schämen sich die meisten Bundesbürger der deutschen Verbrechen an den Juden, doch fühlen sie sich frei von Schuld und fordern, einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. In Israel sind sich dagegen nach Erkenntnissen des Gallup-Instituts die meisten Juden einig, daß die Verfolgung ihres Volkes unter Hitler noch heute die Einstellung der Israelis zu den Deutschen belastet.

Mehrheit der Deutschen: „Keine besondere Verantwortung“

Die von ihren Politikern beschworene besondere Verantwortung der heute lebenden Deutschen gegenüber den Juden wird von den Bundesbürgern häufiger verneint als bejaht. 42 Prozent von ihnen lehnten eine Verantwortung gegenüber den Juden ab. Nur 33 Prozent meinten, sie gelte auch für die heutige Generation. Fast zwei Drittel (62 Prozent) stimmen der Position zu, 46 Jahre nach Kriegsende sollte „ein Schlußstrich unter die Vergangenheit“ gezogen werden.

Mehrheit der Israelis: Deutsche so unbeliebt wie Palästinenser

Die Frage nach der Versöhnung von Deutschen und Juden spaltet das israelische Volk — so stellt 'Der Spiegel‘ fest — in drei Teile. 22 Prozent sind strikt gegen eine Versöhnung, 42 Prozent wollen sie mit allen Deutschen, 27 Prozent hingegen wollen ihren Frieden nur mit den jüngeren Deutschen machen.

Gravierende Unterschiede stellten die Meinungsforscher bei der Ermittlung der Sympathiewerte fest: Während die Juden für die Deutschen ein Volk wie jedes andere sind, machen die Israelis aus ihrer Antipathie kein Hehl. Eine Skala von plus fünf bis minus fünf, auf der die Sympathie der Deutschen für die Juden ermittelt wurde, ergab einen Wert von 1,0.

Die Deutschen hingegen stehen bei den Israelis mit minus 1,6 so tief im Minus wie die Palästinenser. Fast ein Drittel (30 Prozent) der Befragten entschied sich gar für minus fünf — der schlechteste Wert überhaupt.