Fromme und andere Wünsche

■ Neujahrsempfang beim Landtagspräsidenten / Kudella: „Weniger Exzesse!“

Die Worte flogen den illustren Gästen beim Neujahrsempfang in der Bürgerschaft nur so um die Ohren, und Schuld hatte der Parlamentspräsident Dr. Dieter Klink: „Ungestüm und unberechenbar wie ein Vulkan sind die politischen Entwicklungen der letzten Zeit auf uns hereingebrochen. Wie feurige Lava begräbt der Drang zu Demokratie und Unabhängigkeit alte politische Strukturen, Staaten und Großmächte...“ Nach dieser sprachlichen Eruption brodelte der Mettenheimer Schloßberg Kabinett, halbtrocken, in den Gläsern der Gäste, und ein Murmeln wehte durch das hohe Haus.

Traditionsgemäß zum Beginn eines neuen Jahres wurden wieder gute Wünsche ausgesprochen und heimlich Intrigen gesponnen, Hände geschüttelt und Finger gekreuzt. Politiker, Wirtschafts- und Gewerkschaftsleute, Finanzgenies und Drahtzieher, Kleider und Leute wünschten sich Glück und die Erfüllung ihrer guten Vorsätze.

Dabei waren nicht alle Wünsche so bescheiden wie die des grünen Bürgerschaftsabgeordneten Dieter Mützelburg. Der möchte „nicht so schnell geschieden werden wie ich heirate“ (die Hochzeit mit seiner langjährigen Lebensgefährtin ist am 21. Januar). Fraktionskollege Martin Thomas war da materieller. Er wünschte sich eine „Gelddruckmaschine“ für die Lösung der Bremer Finanzprobleme und allezeit eine erkennbare grüne Handschrift in der Regierungspolitik. Außerdem will der Abgeordnete im Sommer auf den Lofoten einigen Vögeln ins Nest gucken: Thomas ist Hobby-Ornithologe und wünscht sich einen ausgedehnten Urlaub.

SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner braucht für ein glückliches 1992 „immer Strom auf der Ampel“ und hat sich für dieses Jahr noch nicht einmal vorgenommen, weniger zu rauchen: In der Hoffnung, daß es diesmal grad deshalb etwas wird. Noch pessimistischer zeigte sich sein Amtskollege von der CDU, Peter Kudella: „Ich habe keine guten Vorsätze. Ich will nur weniger exzessiv, etwas solider leben.“

Das wilde Leben der CDU- Fraktion wird im kommenden Jahr auch Elisabeth Motschmann erfassen: Die christlich-demokratische Frauenkämpferin wäre glücklich, wenn „meine Kinder nicht so sehr unter der Abwesenheit ihrer Mutter leiden“ würden und wünscht sich als Bürgerschaftsnewcomerin „eine Informationsphase, um sachliche Auseinandersetzungen führen zu können“.

Mehr Zeit wünschen sich Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP), Bürgermeister Wedemeier und die Verkehrssenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte. Bürgermeister Klaus Wedemeier hofft zusätzlich auf ein geneigtes Urteil der Karlsruher Bundesverfassungsrichter Anfang Februar: Wenn die Bremer Klage dort auf offene Ohren stößt, wird das dem Stadtstaat pro Jahr etwa eine halbe Milliarde Mark mehr aus dem Länderfinanzausgleich bescheren. Verkehrssenatorin Lemke-Schulte wünscht sich politisch „klare Kompetenzzuweisungen“ für ihr Ressort, denn „wenn du Verkehrspolitik machst, hast du immer zwei Drittel gegen dich.“

Nachdem die vulkanische Tätigkeit von Dieter Klink wieder abgeklungen war, brachte auch Bremens Erster Mann seinen Wunsch an: „Wer hinter das Parlamentsgebäude in die Börsenpassage schaut, ist entsetzt über den Zustand, der sich dem Blick dort bietet. Ich meine, daß dieser Schandfleck mitten in der Stadt den Bürgern nicht mehr zugemutet werden kann. Hier muß unverzüglich für Abhilfe gesorgt werden.“ Und als Zugabe wünschte der Präsident „den Menschen und Völkern auf der Welt Frieden und die Befreiung von Not und Elend.“ mad