Wer wählt Karl-Heinz Vorsatz?

■ DVUler als Deputationssprecher? / Ist die DVU eine normale Partei? Kultur-Deputierte diskutieren

Heute entscheiden sich die Bürgerschafts-Fraktionen, ob der Abgeordnete der deutschnationalen DVU, Karl-Heinz Vorsatz, als Sprecher der Kultur-Deputation vorgesehen wird. Denn mit dem neuen Zählverfahren, frisch durchgesetzt von CDU, Grünen und FDP, haben jetzt auch kleine Fraktionen ein Recht auf einen Sprecherposten.

Um Schlimmeres zu verhindern, peilte man in der interfraktionellen Vor-Absprache schließlich die Kultur-Deputation an. Werden die einzelnen Deputierten den DVU-Mann getreu der Fraktionsübereinkunft am 23. Januar auch tatsächlich wählen?

Kultur-Senatorin Helga Trüpel blieb gestern auf Nachfrage für sich bei ihrem klaren Nein. Glücklich ist niemand mit der Lage. Helmut Hadre (Concerto- Agentur), SPD-Deputierter ohne Abgeordnetenmandat, sagte gestern: „Ich werde den Finger nicht heben, ich kann eine Partei wie die DVU nicht tolerieren.“ Genossin und Deputierte Barbara Noack (SPD) sieht das anders: „Ich kann es nicht so tragisch finden, daß es gerade Kultur erwischt hat. In einer Deputation, wo die DVU-Wählerinteressen direkt berührt werden, wie Inneres, Soziales, Gesundheit, wäre Vorsatz viel problematischer!“

Elisabeth Motschmann, CDU- Deputierte, sieht kommen, daß sich Vorsatz als Sprecher „nicht verhindern“ läßt. Sie betont: „Schuld daran sind nicht die Abgeordneten, sondern die Wähler!“

Als zweiter Sprecher für Kultur wird Thomas Becker (FDP) gehandelt. Er will für den Fall DVU nicht von den demokratisch vereinbarten Verfahren abweichen: „Das Recht auf den Deputationssprecher haben wir der SPD für die kleinen Parteien gerade mühsam abgerungen — das kann man jetzt nicht abgeben, weil einem die DVU peinlich ist. Ich persönlich kann es wahrscheinlich nicht über mich bringen, für Vorsatz zu stimmen. Aber: Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus hat man ja nicht abgeschafft, wenn man Vorsatz aus der Kultur-Deputation wegbeißt. Das gibt denen höchstens Rückenwind.“

Nach der Grünen Fraktionsbesprechung gestern nachmittag hatte der Kultur-Deputierte Wolfram Sailer immerhin eine Sprach-Regelung parat: „Keiner will ihn wählen. Aber das ist ja auch eigentlich keine Wahl, sondern eine Bestätigung.“ Für Detmar Leo (SPD) ist dies auch eine Frage sozialdemokratischer Glaubwürdigkeit. Vorsatz wählen? „Nee. Die DVU ist keine demokratische Partei, wenn sie auch gewählt ist.“

Die Kultur-Szene schäumt sowieso. „Sauerei! „, kommentierte Landesmusikrat Klaus Bernbacher. „Mit aller Entschiedenheit“ ist der BBK gegen Vorsatz, „skandalös“, finden Personalräte von Übersee- und Focke- Museum das Geplante. HfK-Rektor Jürgen Waller forderte die Deputierten gar auf, im Fall Vorsatz ihr Amt niederzulegen. Wenn es heute bei Vorsatz für Kultur bleibt, werden die Deputierten von SPD, CDU, Grünen und FDP überlegen, was machbar, juristisch haltbar, perönlich vertretbar und demokratisch richtig ist: Stimmenthaltung? Vor die Tür gehen? Gegenstimmen? DVU wählen? Am 23. Januar ist Wahltag. Susanne Paas