: ICC zur »Grünen Woche« ausgebucht
■ Bisher werden sich 64 Länder präsentieren/ Image einer »Freßwoche« revidiert/ Stärkeres fachliches Profil/ Kaum Aussteller aus der GUS/ Roggen- und Gerstenfelder in Halle 9a/ Eröffnung der Landwirtschaftsmesse nur mit Ministern aus dem Westen
Berlin. Zur kommenden »Grünen Woche« werden mehr Besucher denn je erwartet. Erstmals ist während der zehntägigen Agrarmesse das Internationale Congreß Centrum (ICC) mit mehr als 150 Veranstaltungen ausgebucht. Nicht nur der Wegfall der Grenzen führt zu einem größeren Erfolg der Messe, Teilnehmer scheinen auch zu honorieren, daß die Ausstellungs-Messe-Kongreß-GmbH (AMK) mit neuen Konzepten das Image einer »Freßwoche« revidieren möchte. Im vergangenen Jahr begonnen, setzt die AMK dieses Jahr auf ein stärkeres fachliches Profil.
Enttäuschend ist die schwache Teilnahme der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) — kaum eine Republik der aufgelösten Sowjetunion wird unter dem Funkturm vertreten sein. Die Messe ist eben eine Art Landkarte dafür, wo Agrartechnicker, Wirtschaftler und Politiker neue Absatzmärkte wittern. Nur Lettland wird zusammen mit Deutschland, Indonesien und der Niederlande auf dem Seafood-Markt in Halle 14 dabeisein. Ansonsten stellt sich noch Rußland vor. Kommende Woche werden immerhin vierzig Vertreter osteuropäischer Tierzuchtverbände, unter anderem aus der Ukraine und den drei Baltenstaaten Lettland, Estland und Litauen, ihre Chancen auf den mittel- und westeuropäischen Märkten diskutieren.
Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) sei besonders wichtig, daß die neuen fünf Länder auf dem Agrarmarkt Fuß faßten, sagte sein Sprecher Holger Hübner. »Berlin ist der beste Partner«, versprach Meisners Sprecher.
Die Senatsverwaltung stellt in Halle 9c einen kompletten Endverkaufsbetrieb im Gartenbau aus. Topfpflanzen und Schnittblumen können Produzenten dort ohne Zwischenhändler verkaufen. Die Modellanlage eines zweischiffigen 15 Meter langen Gewächshauses setzt sich aus Blumenladen, Kühlraum, Lager, Arbeits- und Verkaufsgewächshaus zusammen.
Berlin präsentiert sich ansonsten mit einer Sonderschau »Gärten — unverzichtbares Grün in Ballungsgebieten«. Der Landesverband der Gartenfreunde wird in Halle 12 vier komplette Kleingärten aufbauen. Mit Lauben, Salat, blühenden Tomatenpflanzen, Kohlrabi sowie einer Vielzahl von Tulpen, Narzissen und Hyazinten sollen mitten im Winter Frühlingsgefühle geweckt werden.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ignaz Kiechle (CSU), hatte im vergangenen Jahr noch für Fleischernährung geworben, dieses Jahr will er mit einer Sonderschau »Aus Korn wird Brot — Richtig ernähren mit Getreide« einen Einblick in das Werden unseres täglichen Brotes geben. Komplette Roggen- und Dinkelfelder werden die Halle 9a mit dem Duft von Getreide füllen. Dort wird die Aussaat, die Ernte, die Arbeit in der Mühle und selbst eine Backstube vorgeführt. Brotsorten würden sich durch wichtige Nähr- und Aufbaustoffe sowie ihren Gehalt von Ballaststoffen anderen Lebensmitteln gegenüber auszeichnen, so Minister Kiechle.
In Halle 25 wird es mehrere Musterläden für die Direktvermarktung zu sehen geben. In dem mit 7.500 Quadratmetern größten Ausstellungsbau an der Jaffestraße sollen auch die vielfältigen Möglichkeiten der Bauern für einen Urlaub auf dem Lande dargestellt werden. Ein zur Muster-Ferienwohnung umgebauter Hühnerstall ist genauso präsent wie besonders geeignete Pferde für Reitferien.
Natürlich wird die Konsumschau auch genutzt, politisches Terrain zu gewinnen. Selbst Edward Madigan, US-amerikanischer Landwirtschaftsminister, wird kommenden Freitag zur Eröffnung der Grünen Woche anreisen und »die Haltung der Vereinigten Staaten in der Gatt-Diskussion« betonen. Sein französischer Kollege Louis Mermaz will »Frakreichs Position in der Agrardebatte« erläutern, und zur EG-Landwirtschaftspolitik wird sich Guy Legras, Chef der Generaldirektion Landwirtschaft in Brüssel, äußern. Eröffnungsstammgast Constantin Freiherr von Heereman, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, will die »Vorschläge des europäischen Berufsstandes zur Agrarreform« erläutern. Dirk Wildt
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