Patent auf menschliches Gen gestoppt

Europäisches Patentamt hatte australischer Hochschule Patent auf Gen einer schwangeren Frau erteilt/ Von grünen Europaparlamentariern gestoppt/ US-Hochschule will offenbar Menschen patentieren  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — In letzter Minute haben grüne Abgeordnete des Europa- Parlaments die Patentierung eines menschlichen Gens durch das Europäische Patentamt (EPA) in München gestoppt. Das EPA hatte einem australischen Hochschulinstitut am 10. April 1991 das Patent auf ein Gen aus den Eierstöcken einer schwangeren Frau erteilt, mit dem das Hormon Relaxin kodiert werden kann. Ohne den Einspruch wäre die Erteilung am 10. Januar rechtskräftig geworden.

Relaxin ist für die Entspannung der Muskeln beim Geburtsvorgang verantwortlich. Patentiertes Relaxin könnte also medikamentös zur Geburtssteuerung eingesetzt werden.

Das Howard Florey Institute of Experimental Physiology and Medicine hatte die Patentierung schon am 12. Dezember 1983 beantragt. Das Patentamt prüft bei solchen Anträgen, ob es sich um eine Neuheit handelt, ob eine Erfindung für das Patent nötig war und ob eine gewerbliche Anwendung des Patents möglich ist. Eben dies bestreiten die Europa-Parlamentarier. Das Gen sei entdeckt, nicht erfunden worden. Vor allem aber verstoße die Entnahme eines Gens aus den Eierstöcken einer schwangeren Frau gegen die guten Sitten. Es sei ungeheuerlich, so die Europa-Abgeordnete Hiltrud Breyer, daß per Verwaltungsakt die Zerlegung menschlicher Erbsubstanz sanktioniert und „dem gen-industriellen Komplex zur Ausbeutung überantwortet wird“.

Bei der Patentierung wird nach Angaben von EPA-Sprecher Rainer Osterwalder nicht unterschieden, ob es sich um menschliche, tierische oder pflanzliche Gene handelt. „Die Gene werden in diesem Zusammenhang einfach als chemische Verbindungen aufgefaßt“, so Osterwalder.

Nach der Patentierung werden die Gene dann in ein Bakterium eingepflanzt, daß mehr von dem Wirkstoff zur pharmazeutischen Nutzung produziere, erklärt Hannes Lorenzen, Mitarbeiter der grünen Europa- Fraktion. Für die Zukunft sieht Lorenzen sogar die Patentierung menschlicher Organe voraus. „Das ist nur noch ein technischer Schritt.“

EPA-Sprecher Osterwalder dagegen schließt aus, daß ganze Menschen oder menschliche Organe auf diese Art und Weise patentiert werden. Artikel 53a des Europäischen Patentübereinkommens verbiete das. Dem Übereinkommen sind alle EG-Staaten — außer Irland — sowie Schweden, Österreich und die Schweiz angeschlossen.

Potentielle Anmelder scheinen die von Osterwalder genannten Einschränkungen aber nicht zu beeindrucken. Das Baylor College of Medicine, eine medizinische Hochschule in Houston, hat zum Beispiel einen Patentantrag gestellt, in dem ausdrücklich der Anspruch auf den Menschen enthalten ist. Zumindest „so wie der Antrag im Augenblick ist“, muß Osterwalder einräumen.

Auch die im Augenblick im Europaparlament vorliegende Patentierungsrichtlinie ist in diese Hinsicht sehr schwammig. Lorenzen kritisiert, daß nach der Richtlinie nur „der Mensch in seiner Identität nicht patentiert werden kann. Das schließt überhaupt nicht aus, daß Teile patentiert werden“. Die Richtline soll Anfang Februar im Europaparlament behandelt werden.

Insgesamt liegen beim EPA rund 3.500 Patentanträge vor, die im engeren Sinne auf gentechnische Anwendungen zielen. Der erste Antrag in dieser Richtung sei schon 1981 gestellt worden, so Osterwalder. 426 Patente seien bislang erteilt worden und rechtskräftig.