Stadtraum und Schloß

■ Zur Transformation der verlorenen Stadtmitte — ein Vorschlag von G.Peschken und F.Augustin

Ohne Reflexion keine ästhetische Produktion von Gültigkeit mehr. Was im Tanz die posa, das Innehalten für einen Augenblick, sich gewahr werden, wird für den bauenden Menschen zur Monate oder Jahre Dauer. Für die komplizierte Wiedergewinnung des städtischen Raumes schlagen wir vor, die lange Planungs- und Realisierungszeit in drei Schritte der Transformation einzuteilen, also sozusagen mit zwei eingelegten Phasen der Posa. Die reflektierende Verfahrensweise sollte für die Formulierung des Bauprogramms für den schließlich dauernden Bau genutzt werden.

1. Transformationsstufe, Ausstellung Stadt und Schloß

Die Installation einer Ausstellung dient der Wiedergewinnung städtischer Räume und soll erster Schritt zur neuen, geschichtlich bewußten Aneignung des Ortes sein. Die Elemente der Ausstellung sind:

Ein Gerüstbau, der die äußere Kubatur des Schlosses und die Außenwandfluchten des historischen Grundrisses im städtischen Raum verkörpert, wird an der nordwestlichen, der Lustgarten-Seite mit Groß- Photographie vom Schloß im Maßstab 1:1 bekleidet; die anderen Wände werden mit Gaze gebildet. So werden die städtischen Außen- und Binnenräume wieder erfahrbar. Einige Spolien könnten in das Gerüst an historischer exakter Position montiert werden.

Auf den überkommenen Resten des ehemaligen kaiserlichen Nationaldenkmals wird ein Lapidarium mit inzwischen sichergestellten originalen Säulentrommeln, Gewändestücken, Konsolenbruchstücken usf. für die Dauer der Ausstellung versammelt. Das Lapidarium wird gerahmt durch ein Pavillonpaar, welches einerseits der historischen Ausstellung zu Stadt und Schloß, andererseits zur Diskussion heutiger Vorstellungen über den Umgang mit der Stadt dienen soll.

Ein weiteres Element der Ausstellung wäre eine deutliche, vom Fußgänger wahrgenommene Farbspur, vom derzeitigen Standort des Portal IV am ehemaligen Staatsratsgebäude zum historischen Standort in der Lustgartenfront des Schlosses gezogen.

Schließlich sollte in das Gerüst, dort, wo einst das Portal II die Flucht der Breite Straße aufnahm, ein Aussichtsturm in das Gerüst integriert werden, von welchem die auf das Pflaster gemalten historischen Grundrisse des Dominikanerklosters, des kurfürstlichen Kanonenturms usf. zu überblicken sind.

2. Transformationsstufe, Temporäres Museum/ Versammlungsstätte

Das Verharren am Ort führt zu einem temporären »lebendigen Museum«. Die Elemente des »lebendigen Museums« sind:

Das Gerüst wird für die Errichtung eines Rohbauskeletts benutzt. Der Skelettbau erhält eine dauerhafte Außenwand durch das Wechselbild vom intakten mit dem beschädigten Schloß. Der Spiegel ergänzt das Bild der Lustgartenfront von den Linden aus gesehen.

Der Palast der Republik wird umgebaut. Die in den Lustgartenraum hervortretende Gebäudeecke wird entfernt. Der Spiegel wird dadurch zu freistehender Plastik. In die Halle zwischen den Sälen wird das Versatzstück Schlüterhof eingebaut: zwischen Spiegel und Palast eine Partei der archäologisch nachgewiesenen Fa¿ade mit dem Portal V; beide Rekonstruktionen unter Verwendung von Originalen.

Die Treppen des Schlosses sind funktionaler Bestandteil des Wegesystems im Palast der Republik. Die Halle wird durch Entfernen der Stockwerksdecken offener Luftraum, sie wird durch eine Glaskuppel überdacht.

Die Fahrbahndecke über dem ehemaligen Schloßplatz wird geöffnet. Hier und unter den Schwellen des Skelettbaus beginnt sukzessive ärchäologische Bestandsaufnahme.

Die Ausstellungspavillons auf dem Sockel des Nationaldenkmals werden zur »Bauhütte« und Grabungswerkstatt für die Rekonstrukteure und Archäologen.

Das ehemalige Außenministerium der DDR wird um circa vier Stockwerke abgetragen, seine Fa¿ade — neu entworfen — wird ausgetauscht. Den Brücken zur Museumsinsel wird ihr autogerechter Charakter durch Umbau der Rampen zu Gunsten einer Verbesserung der Brückenhaftigkeit genommen.

3. Transformationsstufe, Deutsches Historisches Museum

Ein neuer Bau, dessen Aufgabe durch gesellschaftliche Entscheidung gefunden worden ist, wird errichtet. Der Skelettbau wird weitergebaut. Zum Beispiel könnte das Temporäre Museum zum Deutschen Historischen Museum sich erweitern. Solange der gesellschaftliche Auftrag für die Errichtung des Deutschen Historischen Museums an dieser Stelle nicht erteilt und ein Bauprogramm nicht formuliert ist, halten wir die 3. Transformation im mittleren Grau. Frank Augustin