Die doppelte Zwickmühle

■ Die Sprecher Israels und der Palästinenser malen artig ein positives Bild der Gespräche

Die doppelte Zwickmühle Die Sprecher Israels und der Palästinenser malen artig ein positives Bild der Gespräche

Gestern haben immerhin einige Nachrichtenagenturen einen „Durchbruch“ in den bilateralen Nahostverhandlungen ausgemacht. Die Gespräche Israels mit den Palästinensern seien aus dem „Korridor“ heraus, heißt es. Und man habe das erste Mal über „Autonomie“ gesprochen. Beides trifft zu. Die Delegationen haben nunmehr den Flur des Washingtoner State Department verlassen und sich in einem Zimmer getroffen. Und es gab ein erstes Gespräch über „Autonomie“.

Aber je niedriger man die Trauben hängt, desto leichter sind sie zu erreichen. Nach monatelangen prozeduralen Gesprächen war es kaum mehr zu vermeiden, sich an einen Tisch zu setzen. Daß es in diesen Gesprächen um eine vorläufige Regelung begrenzter palästinensischer Selbstverwaltung gehen soll — und um mehr nicht —, ist bekannt.

In dem Gespräch über die „Autonomie“ erklärten die Israelis den Palästinensern, sie hätten ein Recht auf „das Land“. Mehr gab es dazu offenbar nicht zu berichten. Dennoch zeichneten nicht nur die Sprecher der Israelis, sondern auch der Palästinenser gestern ein möglichst positives Bild des zurückliegendenen Verhandlungstages. Warum?

Palästinenser und Israelis befinden sich zur Zeit gleichermaßen in der Zwickmühle. Die israelische Delegation hat es schwer, da sie sich mit Blick auf die US-Kreditgarantien „konstruktiv“ verhalten muß, mit Blick auf die radikalen Parteien in Schamirs Regierungskoalition hingegen „obstruktiv“. Ihre Regierung versucht vor allem, Zeit zu gewinnen. Das Datum der Entscheidung über die US- Kreditgarantien naht — und um ihre Absegnung durch den US-Kongreß nicht noch weiter zu gefährden, muß der Verhandlungsprozeß bis dahin zumindest in Gang gehalten werden. Zugleich muß jede wirkliche Verhandlung über ein Autonomiemodell vermieden werden, da sonst ein Zerbrechen der Regierungskoalition in Israel droht. Vorgezogene Neuwahlen wären fällig, bevor die Kreditgarantien gesichert sind — schlecht für Schamir.

Die palästinensischen Unterhändler wiederum müssen jetzt Verhandlungserfolge vorweisen, auch wenn es keine gibt. Sie wollen unter allen Umständen verhindern, daß die Opposition in den eigenen Reihen gegen eine Teilnahme an den Gesprächen noch stärker wird. Die PLO muß nach dem Desaster des Golfkrieges an einer politischen Rehabilitierung interessiert sein. Durch die Teilnahme an den Nahostverhandlungen ist sie diesem Ziel nähergekommen, aber alles wäre zunichte, wenn die Palästinenser unter dem Druck ihrer Opposition jetzt aussteigen müßten.

Ob in dieser Konstellation aber wirkliche Gespräche über die Frage zustande kommen, was denn „Autonomie“ für die Palästinenser praktisch heißen soll, bleibt abzuwarten. Das erst wäre ein „Durchbruch“. Nina Corsten