piwik no script img

Minister stolpert über Spekulation

Der spanische Gesundheitsminister Garcia Valverde nahm am Montag seinen Hut/ Er gilt als politisch verantwortlich für Spekulationen und dunkle Geschäfte seitens der Eisenbahngesellschaft RENFE  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Ein seltener Fall hat sich am Montag ereignet: Der spanische Minister für Gesundheit und Verbrauch, Julian Garcia Valverde, trat von seinem Posten zurück. Am heutigen Mittwoch hätte er vor einer parlamentarischen Kommission aussagen sollen. Weniger selten als ein Rücktritt ist in Spanien freilich der Grund dafür: Garcia Valverde wird beschuldigt, als Vorsitzender der staatlichen Eisenbahngesellschaft RENFE Grundstücksspekulation genehmigt zu haben.

In der Operation, die bereits im vergangenen Dezember bekannt wurde, hatte die RENFE in der Nähe des Dorfes San Sebastian de los Reyes bei Madrid 500.000 Quadratmeter Land gekauft, von dem — laut einer Zusage des zuständigen Bürgermeisters — die knappe Hälfte später zu Bauland erklärt werden sollte. Die Gewinne, die aus dem teureren Weiterverkauf des Baulands erzielt würden, wollte die RENFE zum Bau einer Nahverkehrsstrecke nach San Sebastian de los Reyes einsetzen.

Bereits die Frage, ob Beamte mit öffentlichen Geldern spekulieren dürfen, erhitzte in Spanien die Gemüter. Darüber hinaus wurde durch eine Anfrage der Linksgruppierung Iquierda Unida im Dezember klar, daß der Kauf des Landes von zahlreichen undurchsichtigen Machenschaften begleitet war. Teile des Landes hatten kurz vor dem Ankauf durch die RENFE den Eigentümer gewechselt und waren dann zu einem Vielfachen des Kaufpreises im selben Notariat an die RENFE weiterverkauft worden. Darüber hinaus wurden Ablösungssummen an angebliche Pächter bezahlt, die vermutlich kein Land gepachtet hatten. Equidesa, eine Tochterfirma der RENFE, die die Operationen durchführte, bezahlte mit Barschecks, deren Empfänger bislang noch unbekannt sind. Der Verdacht drängt sich auf, daß durch die fiktiven Zwischenkäufe Millionen Peseten an Mehrwertsteuer gespart werden sollten.

Durch das Bekanntwerden der Transaktion wurde eine weitere Bodenspekulation der RENFE abgeblasen, die diese in der Kleinstadt Ciudad Real geplant hatte. Kurz nach den Spekulationen bei San Sebastian wurde ebenfalls bekannt, daß Valverde die Herausgabe einer RENFE- eigenen Broschüre einem Verlag zugeschoben hatte, am dem er Aktienanteile besaß.

Garcia Valverde war kein erfolgreicher Politiker. In seinem Amt als Gesundheitsminister, das er vor zehn Monaten antrat, mußte er für eine Studie zum öffentlichen Gesundheitswesen geradestehen, die sein Vorgänger in Auftrag gegeben hatte. Die Studie befand, die Patienten müßten in Zukunft stärker an den Kosten der Behandlung beteiligt werden und die Pensionäre sollten Anteile ihrer Medikamente bezahlen. Angesichts der spanischen Niedrigrenten erregte der Vorschlag heftige Empörung in der Öffentlichkeit. Doch nicht diese Unbeliebtheit hat den Minister schließlich seinen Sessel gekostet: „Machenschaften“ seien gegen ihn ausgelöst worden, klagte er in seinem Abschiedsschreiben, und politische Beobachter sind sich einig, daß die Regierung hier einen Sündenbock gestellt hat, um von den übrigen Korruptionsskandalen abzulenken, die das Land überziehen. Im neuesten Skandal, der illegalen Weitergabe von persönlichen Daten von mehr als 20 Millionen Spaniern (mehr als der Hälfte der Bevölkerung) wurde am Montag ein Angestellter des Arbeitsministeriums wegen Verdachts auf unerlaubte Weitergabe von Daten festgenommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen