„Kleinster gemeinsamer Nenner“

Grüne und Bündnis 90 berieten bei einem Schlichtungstreffen in Berlin über gemeinsame Perspektiven  ■ Von Matthias Geis

Berlin (taz) — In „erstaunlich lockerer und konstruktiver Athmosphäre“ — so die Bürgerrechtlerin Christiane Ziller — verlief am Montag das sechsstündige Schlichtungstreffen zwischen den Vorständen von Grünen und Bündnis 90. Nachdem es in den letzten Wochen immer wieder deutliche Meinungsunterschiede über Voraussetzungen und Perspektiven der zukünftigen Kooperation gegeben hatte, einigte man sich am Montag auf eine gemeinsame Erklärung, in der der „Wille zur Zusammenarbeit“ und die Notwendigkeit „kontinuierlicher Kontakte“ zwischen beiden Gremien bekräftigt wurde. Die unterschiedlichen historischen Erfahrungen, heißt es in der Erklärung, „müßten weiter konstruktiv und kritisch aufgearbeitet, übereinstimmende und trennende Inhalte aufgezeigt und die möglichen Formen des Zusammengehens unter Wahrung der jeweiligen Identität ausgelotet werden“. Das ins Auge gefaßte gemeinsame politische Projekt müsse jedenfalls „mehr bedeuten als die bloße Addition von Mitgliederzahlen“.

Christiane Ziller, Mitglied des Bundessprecherrates des Bündnis 90, erklärte gestern, es sei am Montag weitgehend gelungen, die bisherige „Polarisierung zwischen grünem Bundesvorstand und Bündnissprecherrat aufzulösen“. Dennoch sei erneut klar geworden, daß die grüne Argumentation für ein Zusammengehen in erster Linie „wahlarithmetisch“ motiviert sei. Das Bündnis hingegen erwarte sich von einem gemeinsamen Projekt „neue politische Ausstrahlungskraft“. „Signalwirkung könne von dem gemeinsamen Projekt aber nur dann ausgehen, wenn auch die Grünen bereit seien, im Verlauf des Annäherungsprozesses eingefahrene Positionen zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Ob das stattfinden werde, sei nach wie vor offen, doch müßten die Chancen für eine solche Entwicklung wahrgenommen werden.

Der grüne Sprecher Ludger Volmer erklärte, das Berliner Treffen habe dazu gedient, „den Austausch zu vertiefen, Irritationen auszuräumen und unterschiedliche Erfahrungen abzugleichen“. Es habe „kritische Anmerkungen“ des Bündnisses zu dem Memorandum gegeben, mit dem der Bundesvorstand vor Weihnachten das Verhältnis zum Bündnis resümiert hatte. Hierüber sei man, so Volmer, am Montag „in eine vertiefende Diskussion hineingeraten“. Der Bundesvorstand stehe jedoch weiterhin „vollständig hinter dem gesamten Memorandum“. Lediglich die frühere Einschätzung, das Bündnis könne mit seiner inhaltlichen Konzentration auf das Thema Stasi und DDR-Vergangenheit nur schwer ein attraktives politisches Profil entwickeln, müsse man nach der Öffnung der Stasi-Archive korrigieren.

Nicht ganz so positiv wie Christiane Ziller wollte deren Sprecherkollege Wolfgang Templin den Verlauf des Treffens bewerten. Die gemeinsame Erklärung habe in erster Linie „ummantelnde und beschwichtigende Funktion“. Bei der Diskussion über das Memorandum habe man sich von seiten der Grünen lediglich an Formulierungen und Stilfragen abgearbeitet. Zu einer ernsthaften Debatte über die grünen Einschätzungen über das Bündnis sei es nicht gekommen. Nach dem Treffen könne man zwar von einer „Konsolidierung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner“ sprechen; auch sei deutlich geworden, daß die Grünen einen offenen Konflikt mit dem Bündnis auf jeden Fall vermeiden wollten, doch „die Probleme seien nur verschoben worden“.