Angebliche Eichmann-Memoiren ein Werbegag?

Der rechtsradikale britische Historiker David Irving will die Eichmann-Memoiren aufgetrieben haben  ■ Von Bernd Siegler

„Irving hat sich damit geschickt ins Gespräch gebracht“, kommentiert Tilman Koops, Sprecher des Bundesarchivs in Koblenz, den Eingang eines Pakets mit den angeblichen Memoiren von Adolf Eichmann, dem Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt. Absender ist David Irving, ein aufgrund seiner Kontakte zur internationalen rechtsextremen Szene und seiner revisionistischen Thesen höchst umstrittener britischer Historiker. Irving betonte gegenüber der britischen Zeitung 'Observer‘, die „Memoiren“ des Organisators der Judendeportationen in die polnischen Vernichtungslager enthielten Hinweise, daß Hitler persönlich den Befehl zur Vernichtung der Juden gegeben habe. In seinem vor zwei Monaten veröffentlichten Buch Hitlers Krieg hatte Irving noch behauptet, Hitler hätte vom Holocaust nichts gewußt.

Über die Echtheit und den Neuigkeitswert der circa 500 Blatt Durchschlagpapier, die beim Bundesarchiv eingingen, kann Koops nichts sagen. Irving habe das Archiv lediglich gebeten, die Papiere aufzubewahren. Die Erteilung von Genehmigungen zur Einsichtnahme habe er sich selbst vorbehalten. So sind dem Bundesarchiv auch die Hände gebunden, die Echtheit nachprüfen zu lassen, zumal dies aufgrund der Schreibmaschinendurchschläge kaum machbar sei. Koops geht davon aus, daß die Texte auf einer Schreibmaschine mit deutscher Tastatur geschrieben worden sein müssen. „Es ist nichts Besonderes, daß uns Historiker Unterlagen zur Aufbewahrung übergeben“, spielt der Archivsprecher den von manchen Medien bereits gewitterten Sensationsgehalt herunter.

Koops macht es auch stutzig, daß Irving dem Bundesarchiv nur etwa die Hälfte seines Materials zur Verfügung gestellt hat. Im 'Observer‘ sprach Irving noch von 1.000 Seiten Manuskript, die er vor zwei Monaten in Argentinien aus dem Umkreis der Familie des am 31.5. 1962 in Jerusalem hingerichteten Eichmann erhalten haben will. In Koblenz eingetroffen sind lediglich die Kapitel 5 bis 12. Angebliche Hinweis auf den Hitler-Befehl sollen laut Ausriß aus dem 'Observer‘ aber im Kapitel 15 stehen. Koops gestand jedoch Irving zu, daß er aufgrund seiner Kontakte zur rechtsextremen Szene bislang Papiere aufspüren konnte, die anderen Historikern verschlossen geblieben sind.

In den letzten Jahren machte Irving nicht nur durch seine Auftritte bei der rechtsradikalen „Deutschen Volksunion“ in Passau von sich reden. Er startete nach dem Fall der Mauer trotz Einreiseverbots eine Tournee durch die alten und neuen Bundesländer und erklärte am 13.Februar 1990 in Dresdens Kulturpalast: „Der Holocaust an den Juden in Auschwitz ist frei erfunden.“ Auf Druck von Bayerns Innenminister Edmund Stoiber erhielt der „Historiker“ wegen seiner revisionistischen Thesen 1990 und 1991 in Passau Redeverbot. Auf einer sog. „Auschwitz-Pressekonferenz“ im Juni 1989 in London vertrat Irving die Auffassung, die Gaskammern wären lediglich eine „geniale Erfindung des britischen Amtes für psychologische Kriegsführung“. Am 21. April 1990 bestritt Irving im Münchner Löwenbräu- Keller vor 800 begeisterten Zuhörern die Existenz der Gaskammern. Sie seien „in Polen für die Touristen errichtet“ worden.

Neben dem Deutsch-Kanadier Ernst Zündel, dem französischen Literaturprofessor Robert Faurisson, dem Österreicher Gerd Honsik und dem Amerikaner Fred Leuchter spielt Irving in der von nahezu allen rechtsextremistischen Organisationen intensivierten „Revisionismus- Kampagne“ eine entscheidende Rolle. Während er gegenüber dem 'Observer‘ eingestand, er müsse seine bisherigen Ansichten „möglicherweise“ korrigieren, weil darin Hitlers direkter Befehl zum Holocaust zum Ausdruck komme, bestritt er gegenüber BBC derartige Absichten.