Stahlkocher stimmen über Streik ab

IG-Metall-Vorstand ist zum Streik bereit/ Urabstimmung ab 26. Januar/ Steinkühler meldet für 1992 Tarifsteigerung für die westdeutsche Metallindustrie in Höhe von 9,5 Prozent an  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Im großen Konferenzsaal der IG Metall in Frankfurt bekam der Käse auf den belegten Brötchen harte Kanten. Eine Stunde länger als angekündigt diskutierte der Vorstand der größten Einzelgewerkschaft der Welt hinter verschlossenen Türen den Gegenschlag der Arbeitnehmervertreter zur „andauernd sturen Haltung“ der Arbeitgeber in der Stahlindustrie Nordwestdeutschlands — dann erst hatte man sich an der Spitze der IG Metall geeinigt: „Wir erklären die Verhandlungen mit den Arbeitgebern für gescheitert“, verkündete der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Zwickel den ungeduldig gewordenen Medienvertretern. Die Urabstimmung in den Tarifbezirken Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen werde ab dem 26.Januar, 00.00 Uhr, „laufen“.

Es sei das erklärte Ziel der IG Metall gewesen, die Tarifverhandlungen für das vergangene Jahr auch noch 1991 abzuschließen, doch die Arbeitgeberseite habe sich als „vollkommen uneinsichtig“ erwiesen, obgleich sich die Verhandlungskommission mit Lorenz Brockhues an der Spitze immer für eine „stahltypische Lösung“ (Zwickel) eingesetzt habe. Die Gewerkschafter wollten für die Arbeitnehmer im Norden und Westen der Republik eine „6“ vor dem Komma „herausverhandeln“ — doch das letzte Angebot der Stahlarbeitgebervertreter lag bei nur 5,2 Prozent Lohnerhöhung. Die angekündigte Urabstimmung, so Zwickel weiter, habe „zwangsläufig große Bedeutung“ für alle anstehenden Tarifverhandlungen. Vor einer Entscheidung „pro Arbeitskampf“ werde die Gewerkschaft nicht zurückschrecken — „auch wenn die Tür für die Arbeitgeber noch nicht ganz zugeschlagen ist“. Die IG Metall bleibe bis zur Urabstimmung gesprächsbereit. Anders als in der Metallindustrie gibt es auf dem Stahlsektor kein Schlichtungsabkommen zwischen den Tarifparteien.

Für die Tarifverhandlungen 1992 hat der Vorstand der IG Metall den regionalen Tarifkommissionen empfohlen, bei der Aufstellung der Forderungen für die westdeutsche Metallverarbeitung ein Volumen von 9,5 Prozent nicht zu überschreiten. Wie Gewerkschaftsboß Franz Steinkühler anmerkte, habe der Vorstand damit ein „doppeltes Zeichen“ setzen wollen: „Gegen die Vergiftung des tarifpolitischen Klimas und für die Versachlichung der einkommenspolitischen Debatte“. Gegenwärtig seien die außenwirtschaftlichen Risiken für die deutsche Wirtschaft unübersehbar geworden. Und deshalb müsse die Massenkaufkraft gesteigert und die Inlandsnachfrage stabilisiert werden. Darüber hinaus habe sich der Preisanstieg „deutlich beschleunigt“— „vor allem im Gefolge des politisch bedingten Preissprungs“. Die angestrebten 9,5 Prozent orientierten sich deshalb an einer „Tarifpolitik der Vernunft“, sagte Steinkühler. Die Auffassung, daß die IG Metall mit dieser 9,5-Prozent-Marke HBV und ÖTV in den Rücken falle — beide Gewerkschaften hatten Orientierungsmarken von über 10 Prozent angemeldet —, wies Steinkühler zurück. Den Banken gehe es wesentlich besser als der Metallindustrie. Angesprochen auf den Eingriff von Bundeswirtschaftsminister Möllemann in die Tarifpolitik bemerkte der IG-Metall-Chef abschließend, daß in diesem Land jeder sagen dürfe, was er wolle: „Mir ist die Tarifpolitik allerdings eine zu ernste Angelegenheit, um mich auf das Niveau der Marktschreier zu begeben.“