Das Scheunenviertel in Hollywood

■ Ernst Lubitsch oder vom »Sein oder Nichtsein« eines Straßennamens in Berlin

Mitte. Es war ein Armenviertel. Das Scheunenviertel — ein Hurenviertel. Ein Eck, wo die Alten und Verbrauchten auf den Strich gingen. Für die Juden, die um 1914 aus dem Osten kamen, gab es hier die billigsten Wohnungen im weiten Umkreis. In diesem Viertel wurde Ernst Lubitsch am 29. Januar 1892 geboren. Dort wuchs er auf. Erst in der Lothringer Straße 82 A, dann in dem Haus an der Ecke zur Schönhauser.

Lange liegt es zurück. Nur noch 8.000 Juden wohnen in Berlin. Und billige Wohnungen gibt es außer in seltenen Glücksfällen kaum mehr. Verschwunden ist auch die Lothringer Straße — Wilhelm-Pieck-Straße heißt sie heute. An Ernst Lubitsch denkt hier außer ein paar Filmfreaks sowieso niemand mehr. Wer bringt den Hollywood-Regisseur heute noch mit dem Scheunenviertel in Verbindung? Sicher, aus Berlin war er, das weiß man. Das scheint alles zu sein. Trotz seines internationalen Rufes aber hat man für den Mann aus der Stadt von offizieller Seite wenig übrig. Keine Gedenktafel, keine Straße erinnert an Lubitsch, der 1935 von den Nazis ausgebürgert wurde. Schon vor Jahren wurde vom Bezirksamt Schöneberg der Antrag nach einer Ernst-Lubitsch-Straße abgeschmettert. Nun wäre aber der 100. Geburtstag die Gelegenheit, an den Berliner Regisseur zu erinnern, der auch in Hollywood Berlin, vor allem aber das (sehr wohl immer auch frivole) Armenviertel nie vergessen hat. Seine Filme lebten geradezu von dieser Atmosphäre: Sentimental- Frivoles mischt sich mit dem Leben aus dem Kiez; seine Helden der ersten Filme heißen Moritz Abramowsky, Siegmund Lachmann oder Sally Pinkus. Und sie leben durch ihren jüdischen Humor, der, wie Lubitsch 1916 sagte, »wo er auch erscheinen mag, sympathisch und künstlerisch (ist), und er spielt allüberall eine so große Rolle, daß es lächerlich wäre, wollte man ihn im Kino entbehren«.

Sein »Stellvertreter auf Erden«, der »Notausgang«-Kinobesitzer, Gunter Rometsch, will den Regisseur nun nicht mehr im Berliner Straßenbild missen. Selbst Kultursenator Roloff-Momin ist begeistert davon, Lubitsch eine Straße zu widmen. Ohnehin seien viel zuwenig Künstler im Straßenplan zu finden. Im Zuge der allgemeinen Straßennamen-»Entsorgung« scheint es gar einige Chancen für eine Lubitsch-Straße zu geben.

Genau die witterte Rometsch bereits vor einiger Zeit. Die Straße, in der Lubitsch geboren wurde, so seine Idee, sollte nach ihm benannt werden. Die Wilhelm-Pieck-Straße also. Pikanterweise eine der wenigen Straßen, die bisher ihren DDR-Namen behalten durfte. Um es mit dem Titel von Lubitsch's bekanntestem Film zu sagen: Es geht um »Sein oder Nichtsein« eines Straßennamens, einer Erinnerung. Petra Brändle