Das Spiel der Dilettanten

■ „Knight Moves“ — Schach als Schlaftablette

Das Beste an Knight Moves ist der Vorspann. Während er abrollt, wird in einer Rückblende — schwarzweiß und aus extremen Positionen aufgenommen — das Ende einer Schachpartie zwischen zwei Jungen gezeigt. Wie ein Voyeur schleicht sich die Kamera an die beiden heran. Der eine sagt „Schach“, der andere wird böse, knetet nervös seine Hände und macht einen letzten Zug, was ihm aber nur ein überlegenes Lächeln seines Gegners einbringt, der sofort zieht und „Schachmatt“ verkündet. Das läßt den Verlierer ausklinken. Er rammt seinem Mitspieler einen Füller in die Hand, springt über Tisch und Schachbrett und geht dem kreischenden Sieger an die Kehle. Die Umstehenden versuchen die beiden Kinder zu trennen, und die Kamera zieht sich langsam unter den Tisch zurück.

Kurz darauf sehen wir den Verlierer zu Hause. Sein Daddy rennt brüllend aus der Wohnung, und von der Decke im Flur tropft eine dunkle Flüssigkeit. Der Junge steigt die Treppe hoch und findet seine Mutter im Bett mit durchschnittenen Pulsadern. Er blickt kurz auf dieses Grand-Guignol-Tableau, holt aus einem Schränkchen ein Schachbrett und Figuren, geht damit in die Küche, gießt sich ein Glas Milch ein, nimmt einen Keks und beginnt gegen sich selbst zu spielen. Ende des Vorspanns und der Rückblende. Die nächsten Bilder sind farbig und bedeutend langweiliger.

Hätte Regisseur Carl Schenkel (Abwärts) nach dieser furiosen Einführung Schluß gemacht, hätten er und sein Kameramann Dietrich Lohmann auf jedem Kurzfilmfestival sämtliche Preise einheimsen können. Aber Schenkel wollte einen abendfüllenden Whodunit-Thriller drehen und übernahm sich.

Christopher Lambert tritt auf und spielt Schach, ein brutaler Mord geschieht und die Tote sieht aus wie die Mutter aus der Rückblende. Das Kinopublikum soll sich die Frage stellen: Welches der beiden Kinder aus der Rückblende war Lambert. Das macht der Zuschauer auch noch brav mit und kommt sofort zu dem Schluß, daß der schöne Christopher auf keinen Fall der irre Junge gewesen sein kann. Damit ist der Plot gestorben.

Der Thrill läßt sich überhaupt nicht sehen. Das wohlige Gruseln, das beim Anblick der Leiche den Betrachter heimsuchen soll, wird überlagert vom blanken Entsetzen beim Anblick des lausigen Spiels des Hauptdarstellers. Nie war Christopher Lambert so schlecht. Doch es kommt schlimmer. Lambert wird — wie sollte es anders sein — verdächtigt, der Killer zu sein. Zwei Ermittler (Tom Skerritt und Daniel Baldwin) treten auf, versuchen böse Bullen zu mimen und machen sich lächerlich. Beim Vorsprechen für einen Bauerntheater-Job würden die beiden mit fliegenden Fahnen durchrasseln. Damit ist der Tiefpunkt der Schauspielkunst aber immer noch nicht erreicht. Den beschert uns erst Christopher Lamberts Angetraute Diane Lane in der Rolle der Psychologin Kathy Sheppard.

So kriecht der Krimi weiter: Der Psychopath mordet, die Polizisten verdächtigen, Lambert verliebt sich heftig in seine Ehefrau, und es wird andauernd Schach gespielt. Aber zu diesem Zeitpunkt haben der Regisseur und seine müden Mimen aus dem „Spiel der Könige“ längst ein Spiel der Dilettanten gemacht, und im Kinosaal beginnt das große Gähnen. Der gebürtige Schweizer Carl Schenkel, der 1989 sein peinliches Hollywood-Debüt Zwei Frauen ablieferte, hat sich nicht verbessert. Karl Wegmann

Carl Schenkel: Knight Moves — Ein mörderisches Spiel. Mit Christopher Lambert, Diane Lane u.a.. USA 1991, 116 Min.