Minenräumer für Somalia: Bonn prüft und prüft

Die Bundesregierung ist grundsätzlich zur Lieferung von Minenräumpanzern bereit/ Prüfung schleppt sich hin  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) — „Täglich werden bis zu zehn Menschen von Minen in Nordsomalia zerfetzt.“ So begründet die Hilfsorganisation Cap Anamur, warum sie deutsche Minenräumpanzer in das ostafrikanische Land bringen will — und zwar schnell. „Wir sind zwar sicher, daß wir sie kriegen, aber die Frage ist, wie lange es dauert“, sagt der Vorsitzende der Ärzteorganisation. Denn während die Minen in Somalia blutige Folgen haben, sehen die Sachbearbeiter in den Ministerien das ganze Problem auf dem Papier — und darauf stellt sich der Sachverhalt so dar: „Ein privater Verein will Waffen für ein Land, das nicht mehr existiert.“ Der Norden Somalias hat sich im letzten Sommer unabhängig erklärt, wurde aber bisher von keinem Land anerkannt. Und so wird geprüft und geprüft — gegenwärtig die zweiseitige Projektskizze, die Rupert Neudeck am Mittwoch zur Hardthöhe geschickt hat. Das Kap-Anamur- Komitee will sechs ehemalige Bundeswehrsoldaten mit Pionierausbildung einstellen, die im nächsten halben Jahr zunächst die Haupt- und Zufahrtsstraßen zu Städten und Dörfern in Somalia entminen sollen. Dafür erbittet es vom Verteidigungsministerium „zwei Minenräumpanzer des Typs MBT mit KMT5, in absolut demilitarisiertem Zustand“. Die Hilfsorganisation will das Gerät „ihrer ursprünglichen Funktion soweit wie nur eben möglich entfremden“. Genau das aber ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums gar nicht so einfach: Denn nicht nur das Kanonenrohr muß ab-, sondern auch der Verschluß der Kanone muß ausgebaut werden, damit auf keinen Fall mehr Granaten geladen werden können. „Sonst könnte man womöglich ein neues Rohr wieder ansetzen und das Gerät doch wieder als Waffe benutzen“, erklärt Wolf Reinhard Vogt, Sprecher der Hardthöhe. Außerdem müßten auch die Halter für Maschinengewehre abgenommen werden. „Das ist zeit- und kostenaufwendig“, erklärt Vogt. Ein bis zwei Tage dauere eine vollständige Demilitarisierung, die über den Daumen gepeilt 30.000 Mark kostet. Aber bevor es zur Sache ginge, müßten die Ministerialen erst einmal die Voraussetzungen prüfen: Wo stehen solche Panzer, und von wo ist der Transportweg am günstigsten, welche Firma rüstet die Panzer zu welchem Preis um, und wer transportiert die Fahrzeuge dorthin? Und welche Ersatzteile müssen mit nach Somalia geschickt werden? Wenn das alles errechnet ist, muß das Finanzministerium noch seinen Segen geben: „Denn schließlich verschenken wir ja Leistungen.“ Vogt besteht darauf, daß sein Amt sich sehr um Eile bemüht. Er rechnet damit, daß die Minensuchpanzer Ende Januar oder Anfang Februar für den Transport bereit seien. Auch die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes betonen, daß ihr Ministerium für eine schnelle Realisierung des Projekts stehe. Gar nicht informiert sei hingegen das Wirtschaftsministerium, sagte Norbert Goworr vom Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn. Sein Amt könne erst mit der Prüfung nach den Voraussetzungen des Außenwirtschaftsgesetzes beginnen, wenn im Bundessicherheitsrat keine Bedenken bezüglich des Kriegswaffenkontrollgesetzes bestünden. „Aber im Bundessicherheitsrat wurde noch nichts diskutiert“, erklärt Goworr.

„Der alte Potentat Siad Barre, der im vergangenen Jahr gestürzt wurde, hielt sich mit Unterstützung des Westens an der Macht: Seine Diktatur ist eine der Ursachen für die heutige Situation“, sagt der Afrika-Experte Walter Michler in einem 'ips‘-Interview. Er erinnerte auch an die „historischen Beziehungen“ zwischen Somalia und der Bundesrepublik: Schließlich hatte die Bundesregierung 1977 bei der Geiselbefreiung in Mogadischu dem Land einiges zu verdanken.

An Goodwill-Erklärungen fehlt es also in keinem der beteiligten Ministerien; aber man müsse eben erst genau prüfen. In Somalia werden unterdessen täglich Menschen von Minen zerfetzt.