More Moore

■ Irlands „legendäres Folk-Idol“ nach 14 Jahren Pause live

Der Kartenabreißer am Eingang verteilte ein Christy Moore gewidmetes Special des „Irland Journal“. Zwei Seiten füllt allein die Discographie, von der eine ganze Generation irischer Folkgruppen die Richtung weisenden LP „Prosperous“ von 1971, bis hin zum jüngsten Werk mit dem für den nach einem Herzinfarkt zum Antialkoholiker konvertierten Moore eher irreführenden Titel „Smoke & Strong Whiskey“. Als „Irlands legendäres Folkidol“ schickt ihn der Veranstalter nach 14jähriger Abwesenheit nun auf große Deutschlandtour, Ehre, wem Ehre gebührt, auch wenn diese Krone noch manch anderem von der an genialen Musikern so reichen Insel passen würde. Doch Christy Moore steht immerhin für zwei der herausragenden Trendsetter des Irish Folk der 70er und 80er Jahre, für „Planxty“ und „Moving Hearts“. Es war voll, für manchen so überraschend wie die gar nicht folk-freakige Mischung des Publikums. Kein Zweifel: Nach vorübergehendem Tief erlebt irische Musik dezeit ein Comeback, fernab allerdings von grölender Guiness-Seligkeit und Haudrauf-Metaphern. Christy Moore ist — wie „Planxty“- Kollege Andy Irvine — einer von denen, die erfahrbar machen, warum zu den schönsten Liedern der Welt solche gehören, die nur Iren schreiben können. Mit konsequenter Beschränkung auf die Einfachheit der fast nur rhythmisch geschlagenen Gitarre legt den melancholischen Ernst irischer Musik bloß, auch die der auf die Bands konzipierten älteren Stücke, ohne den hintergründigen Humor zu kurz kommen zu lassen, „Only Our Rivers Run Free“, „Hiroshima, Nagasaki, Russian Roulette“, sie sorgten für Mucksmäuschenstille im Saal, die sich dann bei leichterer Kost wie „Planxty's „Raggle Taggle Gipsy 0“ in anfeuernden Zurufen entlud: Es war nicht der Sänger, der die Leute in den Bann zog, sondern das Material. Seine Stimme klingt bei aller technischen Sicherheit ungewöhnlich „normal“, frei von jedem exotischen Touch. Christy Moore versteht sich natürlich als politischer Sänger. Ein Zyklus über die an ihrem Heimweh leidenden Iren Amerikas-mit schöner Interpretation des „Pogeus“-Weihnachtsliedes „Fairtale of New York“ — fehlte ebensowenig wie ein an die Tradition der Arbeitslieder anknüpfender Song über die irische 15. interenationale Brigade des spanischen Bürgerkriegs. Ein „republican Singer“ lehnt er jedoch ab zu sein. Dies hieße, so schreibt das „Irland Journal, „für die IRA am Mikrophon“ zu stehen. Doch „der bewaffnete Kampf macht ihm Angst. Er ist besorgt um die Menschen, die darin verstrickt sind, aber er weiß nicht, wohin dieser Kampf führt.“ Vielleicht ist es schade,daß der Thron für den größten irischen Musiker zur Zeit besetzt ist von Van Morrison. Rainer Köster