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Wo bitte gibt es Alternativen zum „Ausländerfeinde raus“?

■ Die Landeszentrale für politische Bildung brach ein Tabu und lud Feinde ein zum Gespräch / Über die deutsche Schwierigkeit mit der Identität des Gemeinwesens

Wie reagiert die Stadt auf die bei den Bürgerschaftswahlen plötzlich aktenkundig gewordene fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung? Die Umkehrung von „Ausländer raus“ zu „Ausländerfeinde raus“ ist nicht nur so dumpf wie die Fremdenfeindlichkeit selbst, sie verkennt auch völlig das Problem: In den paar Prozenten, die die DVU bekam, wird ja nur sichbar, was im Wählerpotential der Massenparteien schlummert. Fremdenfeindlichkeit läßt sich nicht ausmerzen, sie läßt sich auch nicht weg-aufklären von Leuten, die nicht reden wollen mit dem Anhang der DVU, die nicht reden könnten, selbst wenn sie wollten.

Reden, aber wie? Am vergangenen Montag haben ca. 80 BremerInnen in einem Konferenzraum des Hotel Arcade dieses Gespräch versucht und dabei die ganze Gesprächsunfähigkeit offenbart, die die scheinbar aufgeklärte Gesellschaft angesichts des Problems lähmt. Der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Herbert Wulfekuhl, hat durch zehn suggestive, schillernd-ambivalent formulierte Fragen sich selbst zum Kristallisationspunkt dieses Gesprächsversuches gemacht (vgl. taz 4.1.). Zur Unterstützung hatte er den Buchautor Wolfgang Kowalsky (“Deutschland nur den Deutschen? „, Straube-Verlag) eingeladen.

Wie Wulfekuhl unterstellt auch dieses Buch, daß die Fremdenfeindlichkeit nicht eine bösarige Verblendung ist, die man mit Parolen „Gegen die Ausländerfeindlichkeit“ aufklären könne. Kowalsky findet es verständlich, daß in sozial verunsicherten Bevölkerungsgruppen Neid aufkommt gegen die Aufmerksamkeit und Fürsorge, mit der sich der Saat um die Aylbewerber kümmert. Der Unmut werde noch dadurch verstärkt, daß nach dem Asylrecht 90 Prozent abgewiesen, und damit nachträglich als Schwindler etikettiert würden. Die „neue Rechte“ findet weit weniger an dem Rasse-Begriff als die, die „Rassismus“ bekämpfen wollen, sagt Kowalsky; das Gerede, man müsse Armutsflüchtlinge generell als Asylbewerber anerkennen, sei verantwortungslos, müsse in einem Gemeinwesen Phantasien einer notfalls militanten Verteidigung schüren. Die Autoren des Buches sprechen von Deutschland als Einwanderungsland und räumen gleichzeitig ein, daß es ein Bedürfnis nach „national“ empfundener kultureller Identität gibt.

Der Buchautor schaffte es, alle in dem Saal, die der Einladung der Landeszentrale für politische Bildung gefolgt waren, gegen sich aufzubringen - als wolle er zeigen, daß die Überwindung des Stellungskrieges eine Voraussetzung für ein Gespräch ist.

In dem Plädoyer für die kontrollierte Einwanderung und die „westlichen Werte“ konnte ein älterer Teilnehmer des Gesprächs nur den „Verfall des Geistigen“ sehen, die vollkommene Leugnung des „Natürlichen“. Wie die Indianer in Amerika würden wir einst von den Ausländern ausgerottet, befürchtete eine Frau aus Ostpreußen. Wer für die multikulturelle Gesellschaft sei, sollte nach Irland und Jugoslawien sehen, erklärte ein Mann: „Ich halte davon gar nichts.“

„Westliche Werte — „dabei fallen mir die Bilder von der Armut in den USA ein“, sagte eine Frau. Dieses Wort von den „westlichen Werten“ verbirgt viel an Ratlosigkeit. Sind wir so multikulturell, daß wir Koranschulen, Vielweiberei und Mädchenbeschneidung bei uns haben wollen? Die „jüdisch-christliche Tradition“ soll die Toleranz begrenzen, soll den Damm bilden gegen die kulturelle Beliebigkeit. Nicht diese Tradition sei das Bollwerk, sondern die Aufklärung, wurde von links scharf dagegen eingewandt. Als wäre die eine nicht auch geistesgeschichtliche Wurzel der anderen.

Bei aller Verwirrung über kulurelle Identität war dennoch plötzlich Konsens von ganz links bis ganz rechts, daß „wir“ eine brauchen — wir Deutsche oder wer „wir“? Wir Europäer? In Europa ist die deutsche Asylproblematik ein Sonderfall, die europäische Gemeinschaft wird das deutsche Asylrecht und damit auch die deutsche Asyldiskussion bis 1994 abschaffen. Also doch „wir Deutsche“?

Natürlich ist die Schwierigkeit, das Problem des politisches Asyls und das der begrenzten Einwanderung human und gleichzeitig gesellschaftlich verträglich zu lösen, eine deutsche Schwierigkeit, die nur vor dem Hinergrund der Nazi-Geschichte erklärbar ist. Also gibt es doch eine nationales Problem mit den Ausländern — Kowalsky provozierte den Saal mit der These, den Begriff der „Nation“ als Umschreibung eines historisch gewordenen Gemeinsamen zu nutzen: Kaum jemand von den Deutschen will türkisch lernen oder interessiert sich für kurdische Kultur. Die abstrakte Lust am „Multikulturellen“ ist eine Frucht des postfaschistischen deutschen schlechten Gewissens. Die moderne deutsche Identität von 1992 ist aber gleichwohl meilenweit entfernt von der Konserve, in der manche Wolga- Deutschen unter den Bedingungen des stalinistischen Rußland ihre Selbstachtung und Identität hinübergerettet haben.

In der aufgebrachten Kritik an solchen Thesen hat es die Landeszentrale für politische Bildung geschafft, ein Gespräch zu beginnen. Nach dem ersten Abend könnte man versucht sein zu sagen: Je unausgegorener der Diskussionsanlaß, desto besser eignet er sich als Anlaß für ein Gespräch über die tiefen Gräben von „Ausländer raus“ und „Ausländerfeinde raus“. Klaus Wolschner

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