Kleidungsstücke ohne Wäscheleine

■ Ein japanischer Soloklavierabend — »Unerhörte Musik« im BKA

Die seit langer Zeit in Berlin lebende und hier an der HdK ausgebildete japanische Pianistin Yoriko Ikeya-Fuchino hatte ihr Programm ausschließlich zeitgenössischen japanischen Kompositionen gewidmet.

Sehr unterschiedliche Stücke fanden eine spannende Zusammenstellung — Tore Takemitsu war mit For Away vertreten, einer fern an Debussy erinnernden Klangwelt, wohingegen Mayako Kubo aus ihrem Berlinischen Tagebuch eine Serie von musikalischen Miniaturen beisteuerte.

Jo Kondo war gleich mit zwei Stücken dabei: Sight Rhythmics in der ersten Hälfte und Click Krack in der zweiten. Er versucht sich in rein linearen Gebilden, um so Formverläufe und Strukturierung »wirklich hörbar zu machen«. Das Ergebnis bleibt allerdings etwas fragwürdig, und auch die Einsicht in die Struktur der Stücke wird nicht eben erleichtert — man frage sich etwa, ob die Struktur einer abwechslungsreich gekurvten Wäscheleine leichter wahrnehmbar ist, oder selbige einer Wäscheleine mit markant daran aufgehängten Kleidungsstücken (um ein albernes Beispiel zu wählen).

Kazuo Fukushima hielt es eher mit den Kleidungsstücken ohne Wäscheleine: einzelne Klänge oder kleine Klanggruppen montiert er, von riesenhaften Pausen unterbrochen, in hochexpressiver Manier zusammen. Sein Stück Suien stellte sich damit in die Nachfolge von Schönbergs Vorzwölftonmusik (hier besonders op.19, Nr.6, wo ausdrucksstarke Freiheit sich in kleinsten formelhaft verknappten Motiven faßt). Vielleicht ist seine Musik auch bereits durch die des Klangextremisten Morton Feldmans hindurchgegangen.

Itinerant Mr. Shepard von Kiyoshi Furukawa bildete den Abschluß des Konzertes. Der im Titel erwähnte Roger Shepard ist ein amerikanischer Wissenschaftler, der einen akustischen Illusionseffekt erfunden hat. Es handelt sich dabei um eine unendlich aufsteigende oder absteigende Tonleiter. Abgesehen davon, daß diese akustische Paradoxie vermutlich doch von dem französischen Wissenschaftler und Komponisten Jean-Claude Risset stammt, kann einem der Effekt des Stückes völlig entgehen. Auffallender war die Kompositionsanlage als ständiger Verwandlungsprozeß von einer Gestalt zur nächsten. Was wie eine kleine Kontrapunktstudie begann, drohte doch immer ermüdender und mechanischer zu werden. Die Pianistin, ohnehin bereits mit diversen Preisen und sonstigen biographischen Visitenkarten hochdekoriert, interpretierte mit viel Liebe zum Detail und feinem Gefühl für tiefere Schichten. Und moderne japanische Klaviermusik in Berlin vorzustellen, war längst überfällig. Man kann nur hoffen, daß sie sich mit dem Gedanken trägt, diese Idee in weiteren Klavierabenden fortzusetzen. Fred Freytag