: Gefährliche Kissenpracht
■ Die US-amerikanische Firma Dow Corning hat seit Jahren Nebenwirkungen der Silikon-Brustimplantate zurückgehalten/ Versuchstiere bekamen schwere Entzündungen
Die Hersteller von Silikon-Kissen haben die Nebenwirkungen ihrer Ware nicht untersucht und die Gefahren sogar vor der Öffentlichkeit verschwiegen. Das beweisen interne Dokumente der Firma Dow Corning sowie Unterlagen aus Gerichtsprozessen.
Diese neuen Informationen wurden bekannt, nachdem die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA in der vergangenen Woche zum Einstellen des Vertriebs der Brust- Implantate aufgefordert hatte, bis ihre Sicherheit erwiesen werden kann. Die FDA will innerhalb von 45 Tagen über die Zukunft der Silikon- Busen entscheiden.
Nach internen Papieren von Dow Corning waren Mitarbeiter der Firma selbst über mögliche Nebenwirkungen der Implantate besorgt. So warnte Forschungsspezialist A.H. Rathjen in einer Notiz von 1976: „Ich habe immer wieder vorgeschlagen, daß wir unser (Silikon- )Gel, die Hülle und das Auslaufen (des Gels) gründlich untersuchen müssen.“ Damals waren die Einlagen bereits über zehn Jahre auf dem Markt. Sieben Jahre später warnte ein weiterer Mitarbeiter: „Wir haben keine stichhaltigen Langzeit-Daten, um die Sicherheit des Gels für den Langzeitgebrauch zu beweisen.“
Weitere Informationen legen die Vermutung nahe, daß Dow Corning nachteilige Forschungsergebnisse verheimlicht hat. Das beweist eine Untersuchung der Implantate an Hunden, die 1970 von der Firma durchgeführt wurde. Die Tiere zeigten nach sechs Monaten zunächst ungefährliche Verhärtungen in dem die Kissen umgebenden Bindegewebe. Nach zwei Jahren stellten sich bei den Versuchstieren schwere Entzündungen ein. Anstatt die Untersuchung fortzusetzen oder die Resultate zu veröffentlichen, wurde die Studie abgebrochen und die Hunde eingeschläfert. In einem späteren Bericht schrieb Dow Corning, daß sich das Befinden der Hunde während der Versuchszeit nicht verändert habe.
Weitere Vorwürfe gegen die Firma macht der kalifornische Spezialist für plastische Chirurgie, Henry Jenny. Jenny hatte bereits 1967 festgestellt, daß selbst intakte Kissen Silikon absondern. Unversehrte Implantate, so der Arzt, waren mit einer fettigen Schicht überzogen und hinterließen große Fettflecken, wenn sie abgelegt wurden. Später untersuchte Jenny Gewebeproben einer Frau, deren intakte Implantate er entfernt hatte. Er stellte Silikon nicht nur im Gewebe, sondern auch im Blutkreislauf der Frau fest. „Einmal im Blut“, so Jenny, „wird Silikon zweifelsohne im ganzen Körper verteilt.“ Spätere Untersuchungen bestätigten, daß Silikon aus intakten Implantaten unter anderem in die Milz, die Leber und das Knochenmark gelangt. Jenny meldete seine Untersuchungsergebnisse 1978 an die FDA und forderte ein Verbot der Implantate, bis der Nachweis erbracht werden könne, daß Silikon im Körper harmlos ist. Die Behörde reagierte jedoch nicht.
Inzwischen beteuert Dow Corning immer wieder seine Unschuld. Robert Rylee, Vorsitzender der Firma, behauptet, die internen Notizen gäben undurchdachte Spontanideen einiger Mitarbeiter wieder. Die Hundestudie sei nicht für ein Wissenschaftsjournal, sondern für ein Handelsblatt „kurz und bündig“ zusammengefaßt worden. Andererseits scheint dem Firmenchef seine heiße Ware allmählich zu heiß zu werden. „Wenn wir weiter in einer so feindseligen Umwelt seitens der FDA arbeiten müssen“, versprach er, „dann kann es gut sein, daß wir uns für den Ausstieg entscheiden.“ Silvia Sanides
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