: Israels Regierung verliert die Mehrheit
Rechtsextreme verlassen Regierung/ Neuwahlen im Juni? ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die israelische Regierung von Jizchak Schamir wird voraussichtlich am Sonntag ihre parlamentarische Mehrheit verlieren: Die militant- rechten Minister Juval Neeman und Rechavam Zeevi, Vertreter der Tehiya- und Moledet-Parteien, haben angekündigt, an diesem Tag das Kabinett zu verlassen. Sie erklärten ihren Schritt damit, daß die somit notwendig werdenden Neuwahlen den Friedensprozeß, den sie für gefährlich halten, zumindest zeitweilig aufhalten, unterbrechen oder sogar völlig beenden könnten.
Die Regierung wird dann nur noch über 59 der 120 Knesset-Sitze verfügen. Neuwahlen werden wahrscheinlich im Juni stattfinden. Bis dahin muß das Kabinett Schamir als Minderheitsregierung weiterwursteln, solange sich im Knesset keine Mehrheit zu ihrem Sturz findet. Möglich wäre auch, daß die Regierung sofort zurücktritt in der Hoffnung, daß Staatspräsident Herzog dann nicht die Arbeitspartei zur Regierungsbildung auffordert, sondern das Schamir-Kabinett kommissarisch im Amt beläßt. Über das weitere Vorgehen beriet gestern Schamir mit den verbliebenen Koalitionspartnern.
Die Führung der Arbeitspartei hat sich bereits für baldmöglichste Neuwahlen ausgesprochen. Doch gibt es in der größten Oppositionspartei auch Stimmen, die in Richtung Neuauflage einer großen Koalition mit Schamirs rechtem Likud-Block weisen, wenn sich dafür eine Möglichkeit bieten sollte.
Der israelische Botschafter in Washington sagte, die Nahost-Friedensverhandlungen würden auch dann weitergehen, wenn es zu Neuwahlen kommt. Die Politik der Regierung bliebe unverändert. Die israelische Delegation in Washington war am Mittwoch abend entgegen den ursprünglichen Ankündigungen nicht nach Hause gereist, sondern für einen weiteren Gesprächstag geblieben. Dabei, so bestätigte der Botschafter weiterhin, ging es noch immer um prozedurale Fragen. Es soll ein Zeitpunkt und der Ort — wahrscheinlich liegt er in Europa — für die nächste Verhandlungsrunde festgelegt werden.
In den besetzten Gebieten hat die Armee die meisten der fünf neuen Siedlungspunkte räumen lassen, die vorgestern in demonstrativen Aktionen „bevölkert“ worden waren. Aus einigen Städten wurden Überfälle jüdischer Siedler auf palästinensische Wohnhäuser gemeldet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen