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Ohnsorg an der Küste

■ Wer spielt welche Rolle? Heidi Kabel, böser Onkel, schwarzes Schaf

Immer dann, wenn Rosi Roland an die Küste fährt, nimmt sie viele Taschentücher mit: Für die Tränen, die sie weint ob des Elends oder für die Tränen, die rollen, wenn die Stadtverordneten in Bremerhaven mal eben das Ohnsorg-Theater an die Wand spielen.

Die Heidi Kabel der Woche heißt Karin Hoffmann. Die designierte ehrenamtliche Sportdezernentin votierte am vergangenen Mittwoch auf der Fraktionssitzung der SPD-Stadtverordneten-Versammlung für einen Antrag des Fraktionsvorstandes, von ihrem neuen Amt zurückzutreten und Platz für die FDP zu machen. Wir erinnern uns: Kurz vor Weihnachten scheiterte im Bremerhavener Stadtparlament der Versuch einer Ampelkoalition an sieben sozialdemokratischen Nein-Stimmen an einer Verfassungsfrage.

Richtig witzig war Karin Hoffmann dann am Donnerstag morgen, als sie von ihrem Rücktritt gegenüber Radio Bremen nichts mehr wissen wollte. Zwischen ihrer eigenen Zustimmung, das Feld zu räumen und den Weg für die FDP freizumachen und ihrem Dementi soll neben einer langen Nacht auch ein längeres Gespräch mit Werner Lenz gelegen haben, der in dem Provinztheater an der Nordsee-Küste bisweilen den bösen Onkel mimt. „Der Werner geht dann richtig 'ran und nimmt die Leute in die Mangel“, sprach ein nordseenaher Freund lenzscher Überredungskunst mit unverhohlener Bewunderung: Ja, wen die Muse geküßt hat...

Hoffmans Rücktritt von ihrem Posten als ehrenamtliche Stadträtin ist eine der Bedingungen, die Bremerhavens FDP für einen zweiten Versuch einer Bremerhavener Ampelregierung gestellt hat. Der Bremerhavener Unterbezirksvorsitzende und Mitglied der SPD-Stadtverordnetenfraktion, Siegfried Breuer, geht trotz Dementi weiter davon aus, daß mit dem Rücktritt von Hoffmann „alles klar ist“. Hoffmann selbst verbreitete gestern folgende variante: „Ich trete nur zurück, wenn die Verfassungsänderung durchgeht.“

Da fangen aber die Probleme des sozialdemokratischen Ensembles erst jetzt richtig an. Denn wieder hat bei einer Probeabstimmung für die kommende Stadtverordneten-Versammlung ein Genosse oder eine Genossin einen Sack Silber eingestrichen und die Rolle des Verräters übernommen. Nur 28 von 29 Fraktionsmitgliedern stimmten für die Änderung des Zählverfahrens von d'Hondt nach Hare-Niemeyer, wer stimmte dagegen?

Unter den Genossen kursiert das Gerücht, daß der Fraktionsvorsitzende selbst, Richard Skribelka, das schwarze Schaf sein könnte. Es bleibt abzuwarten, wem die Posse am besten gefallen hat, wenn der Vorhang gefallen ist.

Rosi Roland

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