„Nie wieder Army!“

■ Als Kriegsdienstverweigerer mitten im Golfkrieg / Erinnerung ein Jahr danach

Eric Nicholson (23) war einer der vier Garlstedter US-Soldaten, die kurz vor ihrem Abmarschbefehl an den Golf einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellten. Trotzdem mußte er mit in den Krieg.

Erst sechs Wochen nach seiner Rückkehr wurde Nicholson als Verweigerer aus Gewissensgründen anerkannt und am 31. Juli 1991 aus der Army entlassen. Inzwischen lebt er mit seiner deutschen Freundin in Bremen und arbeitet als Zivilangestellter in der Garlstedter US-Kaserne.

taz: Am 17. Januar letzten Jahres, wo warst Du da?

Eric Nicholson: Da waren wir irgendwo in der Wüste. Es war in der Nähe eines Hafens, aber wir wußten nicht, welcher. Als der Krieg anfing, da sind wir alle mitten in der Nacht aufgestanden und es hieß, es würden Scut-Raketen kommen. Also mußten wir Schutzgräben buddeln. Da habe ich das erstmal richtig Angst gekriegt.

Doch dann ist gar nichts passiert. Erst zwei Nächte später als wir schliefen, waren plötzlich zwei laute Knalle zu hören. Es waren Scut-Raketen, die nicht weit von unserem Lager eingeschlagen waren. Einer von uns dachte dann, er hätte Gas gerochen. Wir waren alle ziemlich in Panik, denn wir hatten überhaupt keine Ausrüstung außer ein paar Gasmasken.

Hattet Ihr Informationen über den Krieg?

Nein, wir waren total schlecht informiert. Wir konnten nur so etwas wie AFN und einen britischen Sender hören. Wir wußten überhaupt nicht, was los war. Dafür gab es ständig Gerüchte. Da habe ich gelernt, alles zu ignorieren und einfach mit dem Strom zu schwimmen...

Eigentlich das Gegenteil von dem, was Du mit Deiner Verweigerung beabsichtigt hattest...

Ja, aber was sollte ich tun?

Als Kriegsdienstverweigerer hast Du im gleichen Zelt mit allen anderen zusammengelebt. Wie haben die anderen Soldaten Dich behandelt?

Die meisten Kammeraden haben mich verstanden. Aber die höheren Tiere, die haben mich zu aller möglichen Dreckarbeit eingeteilt - jeden Tag mußte ich zum Beispiel die Latrinen putzen.

Hast Du den Krieg direkt er

Hier bitte den Soldaten

Eric Nicholson, noch in UniformFoto: privat

lebt?

Wo ich war, konnte ich die Schlacht sehen. Wir sind in den Irak einmarschiert und später dann von Norden aus nach Kuwait gekommen. Auf dem Vormarsch mußte ich mit einem großen Benzinlaster den Panzern hinterherfahren.

Wahrscheinlich die gefährlichste Aufgabe, die es gab?

Es hieß, sie hätten keinen anderen Platz, um mich als Kriegsdienstverweigerer einzusetzen.

Hattest Du das Gefühl, daß diese Aufgabe eine Art Strafe für Deine Verweigerung sein sollte?

Ja. ich habe mit dem anderen Fah

rer des Lasters - auch ein Kriegsdienstverweigerer - darüber gesprochen. Wir waren der Meinung, daß das von oben bestimmt worden ist.

Wie hast Du Dich als Kriegsdienstverweigerer so direkt an der Front des Krieges gefühlt?

Ich hab mich ziemlich fehl am Platz gefühlt. Aber das war kein schlechter Traum, das war verdammt real. Ich konnte nicht schlafen - eigentlich konnte niemand schlafen.

Unsere Einheit war mit Panzern unterwegs. In der Nacht wurde an der Front immer gekämpft, und ich mußte dann morgens mit dem Tanklaster kommen und Treibstoffnachschub bringen. Angst hatten wir alle gleichermaßen.

Am 31. Juli letztes Jahr war mein letzter Tag

Mit Deiner Kriegsdienstverweigerung wolltest Du ja eigentlich verhindern, in einen Krieg zu geraten. Und nun warst Du mittendrin. Hast Du dann Zweifel an Deiner Entscheidung bekommen?

Nein, im Gegenteil. Als ich am 31. Juli letztes Jahr meinen letzten Tag bei der Army hatte, da habe ich mir geschworen: Nie wieder!

Hast Du Opfer des Krieges gesehen?

Ja, sehr viele - Iraker und Amerikaner. Ich habe einen unserer Panzer brennen sehen. Die Leute saßen noch drin, einen von ihnen kannte ich auch persönlich. Ich habe ganze Lastwagen voll toter irakischer Soldaten gesehen.

Heute, ein Jahr danach, spielt das alles noch eine Rolle in Deinem Leben?

Für mich ist das vorbei. Ich werde nie wieder zu so etwas gezwungen werden. Es belastet mich auch deshalb nicht so sehr, weil wir nicht so viel durchmachen mußten wie die Irakis. Die hatten ja zwei, drei Wochen lang kein Essen und kein gutes Wasser mehr gehabt. Die meisten von ihnen hätten sich am liebsten gleich ergeben, aber die Kämpfe waren nachts, und da hatten sie keine Möglichkeit dazu. Ich habe mit einigen Gefangenen gesprochen, die wollten alle gar nicht kämpfen. Saddam Hussein hat sie gezwungen.

Heute kommt kommt mir das alles nur noch manchmal hoch. Und dann schüttele ich meinen Kopf und es ist wieder weg.

Interview: Dirk Asendorpf