'Tagesspiegel‘ in der Krise

■ Gemeinsamer Vertrieb mit Morgenpost und Berliner?

Berlin. Die Verlagsleitung des 'Tagesspiegels‘ denkt offenbar an einen Verkauf von 20,5 Prozent der Gesellschaftsanteile. Anteile in diesem Umfang werden jetzt noch von der Verlagsgesellschaft selbst gehalten. 'Tagesspiegel‘-Geschäftsführer Lothar Poll wollte entsprechende Informationen der taz gestern nicht dementieren. Die 20,5 Prozent halte der Verlag »bereit für Zeiten«, in denen eine Übertragung »angebracht erscheint«. Bei Meldungen über konkrete Verkaufspläne handele es sich jedoch um bloße »Gerüchte«. Der Verlag werde darüber dann reden, »wenn die Dinge klarer faßbar sind«.

Seit geraumer Zeit tauchen immer wieder Gerüchte über einen möglichen Verkauf des 'Tagesspiegels‘ auf. Hintergrund dieser Spekulationen ist die Tatsache, daß das Blatt trotz Investitionen in Höhe von 60 Millionen Mark zur Zeit einen Auflagenrückgang verkraften muß. Die Mitarbeiter des Blattes hatte die Verlagsleitung am Mittwoch informiert, daß die verkaufte Auflage im letzten Quartal 1991 gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahrs um etwa 10.000 Exemplare gesunken sei. Sie liege nun bei gut 130.000 Exemplaren.

Poll räumte gestern ein, daß die Blattreform bei einem »kleinen Teil der Leserschaft« zu »Verunsicherung« geführt habe. Schwierigkeiten bereitet der Zeitung auch die Konkurrenz der 'Berliner Zeitung‘. Wenn sich an deren Verkaufspreis von 60 Pfennig »nicht in absehbarer Zeit etwas ändert, wird man von Kampfpreisen sprechen müssen«, sagte der Geschäftsführer. Poll bestätigte gleichzeitig »lockere Gespräche« mit der 'Berliner Zeitung‘ und der Springer- Abonnementzeitung 'Berliner Morgenpost‘ über ein gemeinsames Vertriebssystem. Es sei »ökonomischer Nonsens«, so Poll zur Begründung, drei verschiedene Zeitungsausträger kurz nacheinander in dasselbe Mietshaus zu schicken. Im Westteil der Stadt wird die 'Berliner Zeitung‘ bereits jetzt — wie auch die taz — von den 'Tagesspiegel‘-Austrägern zugestellt. hmt/kd