Dänemarks Alte mucken auf

Drei Tage lang Altenheim besetzt: Protest gegen Einsparungen/ Agile neue Altenbewegung „C-Gruppe“  ■ Von Reinhard Wolff

Kopenhagen (taz) — Drei Tage lang hatten 35 RentnerInnen eine Abteilung in Kopenhagens gigantischem Altersheim „Stadt der Alten“ besetzt. Und das soll nur ein Anfang gewesen sein. Erst seit kurz vor Weihnachten ist Dänemarks jüngste Altenorganisation „Gruppe C“ aktiv, und schon gelang es ihr, breite Unterstützung für eine ganz neue Form der Altenbewegung zu finden: Wir warten nicht mehr geduldig ab, wir machen Aktionen.

Das Motto hatte unerwarteten Erfolg. Mit der spektakulären Besetzungsaktion — der älteste Hausbesetzer war stolze 83 Jahre alt— konnten sie für ein paar Tage das Medieninteresse auf sich ziehen und damit ein Forum für ihre Probleme schaffen.

Dänemarks Regierung hat in den letzten Jahren versucht, einen Teil des klaffenden Haushaltslochs mit Einsparungen bei den vermeintlich Schwächsten, den Alten, zu stopfen. Der „Erfolg“: Die Gemeinden, denen das Geld für die Altenbetreuung gekürzt wurde, mußten immer mehr Altersheime schließen, allein in der Hauptstadt sollen in diesem Jahr fünf dichtgemacht werden. Die mobile Altenbetreuung wurde empfindlich beschnitten, weniger BetreuerInnen müssen immer mehr Alte versorgen. Tausende warten auf Plätze im Altersheim, wo die Situation auch immer schlechter wird: In der zeitweilig besetzten „Stadt der Alten“ müssen sich zum Teil vier alte Menschen ein Zimmer teilen.

Die Stadt Kophenhagen, sozialdemokratisch regiert, zeigte volles Verständnis für die Aktion der C- Gruppe, schiebt die Schuld aber auf die bürgerliche Regierung. Bürgermeister Jörgen Fredriksen: „Wir haben kein Geld, keine Krone übrig, die wir zusätzlich in die Altenbetreuung stecken könnten. Es liegt wirklich nicht an unserem guten Willen.“ Auf Verständnis konnte er mit solchen Erklärungsversuchen nicht rechnen: Wir haben für euch Politiker einfach nicht existiert, hallte es ihm entgegen. Das soll vorbei sein. Für eine Unterstützungsdemonstration vor dem besetzten Altersheim fanden sich trotz kurzfristigem Aufruf über 1.500 Menschen ein. 12.000 signalisierten mit ihrer Unterschrift ein Ja zu weiteren Aktionen. Fast 200.000 Kronen wurden binnen weniger Tage der C-Gruppe für ihre weitere Arbeit gespendet.

Und das Kopenhagener Beispiel schlug Wellen. In den Städten Arhus und Esbjerg bildeten sich Ortsgruppen. Der Vorsitzende der bislang größten Altenorganisation „Sache der Älteren“, Bjarne Hastrup: „Nun können die Politiker sehen, was nach uns kommt: Alte, die auf die Straße gehen. Unsere Hinweise auf alte Leute, die in ihrem eigenen Schmutz liegen müssen, weil ihnen keiner hilft, wurden einfach überhört. Jetzt wird mehr Druck auf die da oben zukommen.“

Der Bedarf für die „C-Gruppe“ ist offensichtlich. Schon zur Gründungsversammlung waren statt der erwarteten 50 Leute über 700 gekommen. Die Pläne, ein Klagentelefon wenige Stunden in der Woche besetzt zu halten, wurden vom AnruferInnenansturm überrollt. Täglich und ganztags ist es jetzt besetzt. Das kleine Büro in der Nansensgade 48 ist ständig überfüllt mit Menschen, die spenden, miteinander reden oder einfach danke sagen wollen. Eine Koordinatorin für die Besetzungsaktion gab es, Karen Marie Nilsen, die ebenso glücklich wie erschöpft über den Erfolg ist, aber ein „richtiger“ Verein mit Vorsitzendem und KassiererInnen will die C-Gruppe nicht werden: „Nein, wir bleiben eine Graswurzelbewegung, ein Verstärker für die bisher zu gern überhörten Einzelstimmen des Protests der Alten.“

Wenn die erste Besetzungsaktion ohne konkrete Zusagen seitens der PolitikerInnen abgebrochen wurde, war dafür ein Trick der Polizei verantwortlich: HausbesetzerInnen aus der militanten Kopenhagener Szene seien auf dem Weg zu einer Sympathieaktion und wollten sich der C- Gruppe anschließen, wurde als Gerücht von ihr verbreitet, nachdem gutes Zureden, die Aktion abzubrechen, nicht geholfen hatte. „Und mit denen wollen wir ebensowenig zu tun haben, wie mit irgendeiner der politischen Parteien.“ Und, so Karen Marie Nielsen, falls das wirklich bloß ein Trick der Polizei gewesen sein sollte: „Beim nächsten Mal werden wir nicht einfach wieder abziehen!“