Peinliches Bonner Gerangel um den CSFR-Vertrag

■ Die bayerische CSU will Entschädigungen für Sudetendeutsche draufsatteln/ SPD beantragt aktuelle Stunde

Bonn (taz) — Über drei Monate sind vergangen, seit Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein Amtskollege aus der CSFR, Jiri Dienstbier, ein Freunschafts- und Nachbarschaftsabkommen paraphiert haben — aber die Ratifizierung steht immer noch aus.

Denn auf den feierlichen Akt folgte ein peinliches Gerangel. Helmut Kohl will sich nicht auf einen Termin festlegen, weil — ähnlich wie bei den Polen-Verträgen — der rechte Rand der Union draufsattelt und Zusätze zum Vertrag verlangt. In diesem Fall ist es die CSU, die die Rechte der Sudentendeutschen nicht gewahrt sieht und die Ratifizierung mit einem zusätzlichen Briefwechsel verknüpfen will.

Die mühsame Vorgeschichte des Vertrags macht verständlich, daß die Geduld auf tschechoslowakischer Seite sich langsam erschöpft. Vor der Paraphierung stand die Beschäftigung mit den dunklen Jahren deutsch-tschechoslowakischer Geschichte. Das Abkommen bekräftigt die Nichtigkeit des Münchner Abkommens und betont, daß der tschechoslowakische Staat seit 1918 nie aufgehört hat zu existieren. Die Präambel nennt die Opfer, die die Herrschaft der Gewalt, des Krieges und der Vertreibung gefordert haben. Der Zustimmung der tschechoslowakischen Regierung zum Begriff der „Vertreibung“ der Sudetendeutschen in den Jahren 1945/46 war eine jahrelange Debatte unter Historikern und Politikern der CSFR vorausgegangen, bis das Tabu Vertreibung schließlich gebrochen war.

Abgeschlossen werden in diesem Vertrag die Fragen der Vergangenheit nicht. Entschädigungen der Zwangsarbeiter, der Nazi-Opfer und Verfolgten wurden auf deutschen Druck aus dem Abkommen ausgeklammert. Ohnehin soll die Ratifizierung mit einem Briefwechsel zu den offen gebliebenen Vermögensfragen verbunden werden. Im krassen Mißverhältnis dazu verlangt die CSU, daß ursprünglich sudetendeutsches Eigentum aus dem Prozeß der Privatisierung herausgenommen und entschädigt wird.

Die SPD will in der kommenden Woche mit einer aktuellen Stunde auf Ratifizierung drängen. Sie schlägt gleichzeitig vor, für die NS-Opfer in der CSFR eine Stiftung zu schaffen. Die Bundesregierung bleibt vage: Im Februar soll die Angelegenheit ins Kabinett. Ein Termin wird nicht festgelgt, weil die CSU auf einer Koalitionsrunde beharrt. Tissy Bruhns