Neuwahlen in Israel voraussichtlich im Juni

Tel Aviv (taz) — Genau ein Jahr nach dem Ausbruch des Golfkrieges hat in Israel ein vorgezogener Wahlkampf begonnen. Nachdem Premier Schamir seine Mehrheit im Parlament verlor, als am Donnerstag die rechtsradikale Moledet-Partei ihren Austritt aus der Regierungskoalition bekanntgab — wie tags zuvor schon die nationalistische Tehija-Partei—, wird jetzt voraussichtlich schon im Juni gewählt. In Israel heißt es nun, daß Schamir gute Wahlchancen hat und daß er versuchen werde, mit der Arbeiterpartei eine Regierung der „nationalen Einheit“ zu bilden, wie sie bis zum Frühjahr 1990 an der Macht war.

Die Arbeiterpartei wird erst im kommenden Monat über ihren zukünftigen Parteivorsitzenden entscheiden. Dabei begünstigt die Vorverlegung der Wahlen Jizchak Rabin gegenüber seinem wichtigsten Gegenkandidaten, dem bisherigen Parteichef Schimon Peres. Rabin hat im Gegensatz zu Peres schon immer eine gemeinsame Sprache mit Schamir, dem wahrscheinlichsten Spitzenkandidaten des Likud, gefunden.

Angesichts dieser Konstellation fürchten die religiösen Partein den Verlust ihrer Rolle als „Zünglein an der Waage“ und entsprechende Einbußen ihre Stimmenanteils, der lange Zeit ziemlich konstant bei 16Prozent lag. Hinzu kommt, daß die Neueinwanderer aus der Sowjetunion kaum religiös orientiert sind. Diese immerhin 250.000 neuen Wähler, rund 400.000 Erstwähler und die schwer kalkulierbaren Wirkungen der zur Zeit unterbrochenen Nahost-Verhandlungen machen den Ausgang der Parlamentswahlen schwer absehbar. Rund die Hälfte der Parlamentsabgeordneten in der Knesset wird diesmal jedenfalls von neuen Wählern bestimmt.

Der Parteiführer von Moledet, Minister Rehavam Zeevi, begründete den Austritt aus der Koalitionsregierung mit der angestrebten Neuwahl. „Wir hoffen, daß sie zusammen mit den Wahlen in den USA zu einem Ende des Friedensprozesses führen oder ihn wenigstens für ein weiteres Jahr aufhalten.“ Ein weiterer Grund für seine Demission sei „die fehlende Umsetzung des Kabinettsbeschlusses, die Intifada zu liquidieren“. Auf die Frage, warum die Arbeiterpartei Schamir nicht beistehe und so den Fortgang der Nahost-Verhandlungen sicherstelle, erklärte ihr Vorsitzender Peres, daß es „keinerlei Fortschritt im Friedensprozeß“ gebe, der „bereits im Anfangsstadium festgefahren“ sei. Amos Wollin