Uwe Lahl — „passionierter Verwaltungs-Schach-Spieler“

■ taz-Gespräch mit dem neuen Staatsrat beim Senator für Umweltschutz und Verkehr, dem Chemiker Dr. Uwe Lahl

Die Wände sind kahl. Im Zimmer steht ein Kunststoffbezogener Tisch, vor dem ihm graust. So richtig heimisch ist Uwe Lahl in seinem neuen Büro am Ansgarikirchhof noch nicht geworden. Seit dem 1. Januar sitzt er dort als Staatsrat im Ressort Umweltschutz und Stadtentwicklung.

taz: Sie waren sechs Jahre lang in Bielefeld als Umweltdezernent und wollten eigentlich mit der Kommunalpolitik aufhören. Was hat Sie trotzdem nach Bremen gelockt?

Richtig, ich wollte jetzt eigentlich was ganz anderes machen. Mich hatte es gereizt, nach vielen Jahren Politik für eine zeitlang in der Privatwirtschaft zu arbeiten. Ich hatte bereits meinen Geschäftsführervertrag unterschrieben, um in die Firmenleitung einer Ingenieurgesellschaft in Hamburg einzutreten.

Experimentieren liegt mir im Blut, vielleicht hängt das mit meinem eigentlichen Beruf zusammen. Ich bin Chemiker. Ich wollte für mich wissen, welche Rolle ein Ökologe spielen kann, wenn er kapitalistisch tätig sein muß. Hintergrund für dieses angestrebte Experiment waren auch die relativ starken Polarisierungen mit Teilen der Bielefelder Wirtschaft. Wir hatten in Bielefeld viel erreicht. Um den Umweltdezernenten herum hatte sich in relativ kurzer Zeit ein sehr engagiertes Team an Überzeugungstätern zusammengefunden. Unsere Auflagen und Vorstöße waren der Wirtschaft deutlich zu weitgehend. Dennoch haben wir letztlich diese Widerstände überwunden.

Die härtesten Auseinandersetzungen hatten wir im übrigen auf der Ebene der Verkehrspolitik. Ich glaube, daß wir auf diesem Terain auch die Kommunalwahl 1989 verloren haben.

Und dann klingelte das Telefon und Ralf Fücks war dran....

Genauso war es gewesen. Das sind so die Anrufe, die einen praktisch aus der Bahn werfen, die man nicht vergißt. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn alles nach Plan liefe. Am anderen Morgen ging ich relativ unausgeschlafen ins Büro.

Was mußte er denn da an Lockendem bieten, damit dieser Hamburger Vertrag wieder in den Hintergrund trat. Bremen, Ampel, kein Geld?

hier

das foto

von

dem Mann

Der neue grüne Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl Foto: Andreas Weiss

Irgendwie stimmt Ihre Aufzählung sogar. Eigentlich war ich emotional mit „Kommune“ durch. Man muß dabei wissen, daß ich mich nach der Kommunalwahl auf das Experiment eingelassen hatte, weiterzumachen, und zwar ohne politische Mehrheit. Zwei Jahre lang habe ich lediglich mit Überzeugungskraft, Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltungskunst „regiert“. Das geht auf die Knochen.

Ich liebe die trockene norddeutsche Art. Ich mag Bremen als Stadt, bin schließlich gebürtiger Bremer, und als ich vor 10 Jahren weggegangen bin, nicht mit Begeisterung, da kannte ich Bremen so gut, daß ich einen Taxischein hätte machen können.

Sie waren Mitbegründer des Bremer Umweltinstitutes.

Das auch.

Ganz früher bei der Alternativen Liste...

Mit Anni Ahrens zusammen Spitzenkandidat gegen die Bremer Grüne Liste. Aber wir sind damals leider abgestürzt mit ungefähr 1,6 Prozent, während die „Bremer Grüne Liste“ (BGL) in die Bürgerschaft einzog.

Jetzt die Ampel. Wir alle werden Federn lassen müssen. Aber ich bin überzeugt, daß dieses Experiment klappt und nicht einer allein als gerupftes Huhn dasteht. Ich denke, daß es für die Ökologiebewegung gerade durch die Entwicklungen im Osten vordringlich geworden ist, ihr Verhältnis zur Wirtschaft neu zu defi

nieren. Warum nicht in der Praxis vermittelt durch das gesellschaftspolitische Experiment einer Ampel?

„Überhöhte Kreditaufnahme ist wie Ressourcen-Raubbau“

Die Papiere von Ralf Fücks zur Finanzpolitik habe ich erst in Bremen gelesen. Ich hatte nicht erwartet, daß wir in dieser Frage so viel Übereinstimmung haben würden. Ich halte es für ein ausgemachtes Vorurteil, daß Ökologie- Politiker nicht mit öffentlichen Geldern umgehen können. Genau das Gegenteil wird zu zeigen sein. Wer weiß denn besser als wir, was das Verbrauchen von knappen Ressourcen zur Folge hat? Andererseits wird das Umsteuern in der Umweltpolitik Geld kosten. Wir werden nur Maßnahmen im Rahmen eines gegebenen Finanzrahmens umsetzen können. Hier werden wir politische Verantwortung für unsere Prioritätenentscheidung übernehmen müssen.

Entscheidender ist in unserer finanzpolitischen Position, daß diese Gelder nicht durch Erhöhung der Kreditaufnahme hereinkommen dürfen. Eine überhöhte Kreditaufnahme ist vergleichbar dem Ressourcen-Raubbau, der auch den nachfolgenden Generationen ihre Entscheidungsspielräume nimmt. Wir müssen zu einer offenen und durchschaubaren Fnanzpolitik zurückkehren. Notwendige Ausgaben müssen durch korrespondierende Einnahmen

gedeckt werden. Dies bedeutet, daß unsere Umweltschutzmaßnahmen, wenn ihre Realisierung politisch gewollt wird, in ihrer Folge zu erhöhten Gebühren, Tarifen etc und zu neuen, verursachergerechten Umweltabgaben führen wird.

Das sind aber zwei sehr verschiedene Dinge, zu sagen: Wir müssen beweisen, daß wir finanzpolitisch handlungsfähig sind oder gleich mit den berühmten Skalpell sparen zu müssen. Das ist in Bremen ja noch einemal drei Nummern härter als in anderen Kommunen.

„Das ist ein extremer Härtetest unserer Politik“

Gehen Grüne nur in die Verantwortung, wenn die finanzpolitisch fetten Jahre angesagt werden? Diese Position ist sicherlich nicht durchzuhalten. Aber zugegeben, das ist das zusätzlich interessante an der Bremer Konstellation. Es ist ein extremer Härtetest unserer Politik. Extremer kann man ihn sich in den alten Bundesländern kaum vorstellen.

Das hat etwas Masochistisches.

Sicherlich, Mut und einen Tick Masochismus will ich nicht leugnen.

Sie haben jahrelange Verwaltungserfahrungen. Sie kennen die Tricks...

Ich nenne das Verwaltungs- Schach und bin ein passionierter Spieler...

Wie gut ist denn in dieser Behörde hier Schach gespielt worden, oder, um es auf eine andere Fragestellung zu bringen: Wieviele Leichen haben Sie schon im Keller der Umweltbehörde gefunden?

Zur Grundregel des Verwaltungs-Schachs gehört es, weder im Keller gesehen zu werden noch bei Tragen von Leichen aufzufallen.

Anders herum. Ihr Vorgänger und jetziger Kollege Jürgen Lüthge hat gesagt: 'Wenn ich im Verkehrsbereich ein so prima aufbereitetes Feld vorfinden würde, wie der Lahl in der Abfallwirtschaft, würde ich mich freuen wie ein Schneekönig.'

Das mag sein, aber daß die Verkehrspolitik in Bremen so schlecht war, erfüllt mich mit Sorge.

Sie sind bewußt zu einem Senator gegangen, von dem gesagt wird, daß er gerne vieles alleine macht. Ist das nicht schwierig für einen, der in Bielefeld quasi sein eigener Senator war?

Kann ich mir nicht vorstellen. Ein schwacher Senator wäre für mich schwierig. Wir haben uns auf das Arbeiten als Team verständigt.

Wie geht es Ihnen denn, wenn Sie montags in diese Staatsräterunde kommen, wo ja ein Gutteil altgedienter, ausgebuffter Verwaltungsschachspieler sitzt. Sind Sie da ein Fremdkörper?

Ich bin jetzt seit 10 Tagen im Dienst und habe gerade eine dieser Runden erleben dürfen. Habe also nur einen ersten Eindruck wiederzugeben. Und der ist, daß wir uns montags nicht langweilen werden.

An so manches werde ich mich noch gewöhnen müssen, zum Beispiel an fraktionsunmittelbares Verwaltungshandeln. Ob ich mich daran gewöhnen werde, daß in Bremen die Ressortabstimmungen anscheinend routinemäßig mit ausgewählten Zeitungen oder Sendern stattfinden, wird sich zeigen.

Ich bin sehr für öffentlich durchschaubares Verwaltunghandeln, bin aber auch ein engagierter Verfechter von qualifiziertem Verwaltungshandeln. Bevor man in die Öffentlichkeit geht, muß der Vorschlag ordentlich abgeprüft sein. Journalisten haben ein Recht auf qualifizierte Indiskretionen. Die Aufgabe der Staatsräte ist meines Erachtens an der Schnittstelle zwischen Politik und Behörde, sprich Verwaltung zu sehen. Ich habe dies im übrigen nicht immer so gesehen, aber heute bin ich sehr dafür, daß es zur Leitungsverantwortung gehört, die politischen Teile der Arbeit von den routinemäßigen Verwaltungsstellen insoweit zu trennen, daß unabhängig von der Sachlage und der Couleur der Adressaten unseres Handelns jeder das gleiche Recht auf ein formal ordentliches Verfahren hat.

Mit uns wird es daher ebensowenig eine behördliche Bevorzugung uns nahestehnder Kreise geben, noch werden wir die Zahlung der Abwasserabgabe nach der Einflußgröße des Einleiters regeln.

Was wollen Sie denn in dieser Stadt machen, wenn Sie nicht gerade ordentliche Verwaltungsarbeit machen?

(Pause) Gutes Essen. Erinnerung beim Spazierengehen auffrischen, ganz alte Freunde ohne Vorankündigung einfach spätabends anrufen, mit meiner Frau und meinen Kindern Bremen neu entdecken.

Haben sie den 16-Stunden- Tag?

Das variiert, man kann das nicht auf die Stunde genau sagen, aber so etwa in der Art. Ich muß auch aufpassen, daß ich mich nicht zum workaholic weiterentwickele. Aber wir werden ja auch nicht schlecht bezahlt. Also keine Klage, alles hat seinen Preis.

Fühlen Sie sich von den Mitarbeitern in der Verwaltung gut aufgenommen?

Ja, man ist sehr freundlich. So sind auch die Spielregeln. Es wird auch sehr viel von uns erwartet, bis in den Bereich des jeweils eigenen dienstlichen Vorankommens hinein. Das ist auch legitim. Man wird aber nicht alle Erwartungen erfüllen können. Unsere Antworten werden in einigen Monaten erfolgen. In Bielefeld war es mir auf der längeren Stecke weitgehend gelungen, Leistung zu honorieren.

Wenn in einem Ministerium die Farbe wechselt, ist es gängige Klage, daß der Apparat nicht mitzieht.

Diese Klage kann man nur einmal erheben. Beim zweiten Mal wendet sich diese Klage auch bereits gegen den Kläger. Beim dritten Mal ist sie das öffentliche Eingeständnis von Führungsschwäche.

Fragen: Holger Bruns-Kösters